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Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte

Titel: Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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schwärmten vom amerikanischen Triumph über Moskau und vom Präsidenten, der mit den »Besten und Klügsten« die Krise gemanagt habe. Allerdings ist diese sehr wohlwollende Einschätzung der Krisentage im Weißen Haus im Herbst 1962 nicht belegbar. Das ExComm war weniger ein Krisenstab, der die Lage im Griff hatte und Entscheidungen fällte, als eine Absicherung für die Kennedys, damit niemand im Regierungsapparat aus dem Kurs ausscherte, den sie einschlugen. Dieser Kurs fiel insbesondere zum Missfallen der US-Militärs aus, die die verhängte Blockade als schwächliche Reaktion ansahen − wie den Kennedy-Kurs insgesamt. Sie forderten einen Angriff auf die Raketenstationen auf Kuba. Der Präsident aber verhielt sich extrem vorsichtig: Er fürchtete nicht nur eine Eskalation in der Karibik, sondern auch Konsequenzen in Europa: Westberlin war damals die Achillesferse der westlichen Welt. Gleichzeitig jedoch stand Kennedy unter erheblichem innenpolitischen Druck: Angesichts der gescheiterten Invasion Kubas in der Schweinebucht ein Jahr zuvor durfte er keinesfalls als derjenige aus der Krise hervorgehen, der vor den Sowjets eingeknickt war. Vor der Öffentlichkeit gelang dies auch weitgehend, die US-Militärs sahen sich dagegen in ihrer Einschätzung bestätigt, es bei Kennedy mit einem schwachen Präsidenten zu tun zu haben.
    Insbesondere am Abend des 27. Oktobers schien allen Beteiligten die Kriegsgefahr so hoch wie nie zuvor: als Chruschtschow über Radio Moskau öffentlich forderte, Washington müsse als Gegenleistung für den Abzug der sowjetischen Raketen auf Kuba US-Raketen aus der Türkei abziehen. Dann aber lenkte Moskauein und gab sich mit dem Versprechen, die USA würden Kuba in Ruhe lassen, und der inoffiziellen Zusicherung für den Abzug der türkischen US-Raketen zufrieden.
    Die Lösung zum Verständnis und zur richtigen Einordnung liegt zunächst in ihrer Vorgeschichte. Inmitten des Kalten Krieges sahen sich die Führer beider Supermächte in der Defensive. Kennedy wegen des Berliner Mauerbaus und der dortigen hochexplosiven Situation sowie aufgrund seiner gescheiterten Invasion Kubas; Chruschtschow wegen der Verlautbarung des Pentagons im Oktober 1961, die Atomstreitmacht der USA sei der der UdSSR überlegen. Angesichts der Bedeutung, die die Atomrüstung im Wettstreit der Supermächte damals hatte, musste das zu einer Reaktion Moskaus führen. Die unmittelbare waren Widerspruch und ein sowjetischer Atomtest; die langfristige Chruschtschows Kuba-Politik. Auf Kuba konnte der sowjetische Staatschef mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Schutz der sozialistischen Karibikinsel und Machtdemonstration sowohl gegenüber den USA als auch im sozialistischen Lager gegenüber China sowie Zugewinn innenpolitischen Renommees.
    Was bis heute als Sieg der USA und als Meisterleistung der Kennedys gilt, war in Wahrheit der Vorsicht beider Seiten zu verdanken. Hinzu kam der jeweilige Blick auf die Lage, der nicht immer mit den Realitäten übereinstimmte. Die prinzipiell unversöhnliche Konfrontation beider Machtblöcke wurde für einen kurzen historischen Moment zweitrangig, weil Washington und Moskau einen Atomkrieg verhindern wollten. Denn auch Chruschtschow verhielt sich verantwortungsvoll und akzeptierte den geheimen Raketentausch mit den USA, den er sich also nicht als Erfolg ans Revers heften konnte. Inzwischen lässt sich durch neu zugängliche Akten belegen, dass Chruschtschow erstaunlicherweise vor allem Angst hatte, Kennedy könnte abgesetzt werden oder einem Militärputsch zum Opfer fallen. Daswollte er verhindern, weil ihm die Folgen für die Sowjetunion und den Weltfrieden unabsehbar schienen. Außerdem befürchtete Moskau aufgrund von zweifelhaften Geheimdienstinformationen, eine US-Invasion Kubas stehe unmittelbar bevor.
    Beiden Mächten war klar, wie gefährlich die Konfrontation gewesen war. Die Einschätzung Kennedys und Chruschtschows und ihr Verantwortungsbewusstsein verhinderten den Atomkrieg, mit dem ihre Militärs längst kalkulierten. Der Höhepunkt des Kalten Krieges war die Krise dennoch nicht, denn das Verhalten beider Politiker zeigt, dass sie den Machtkampf der Ost-West-Konfrontation vielmehr für die Dauer der Kuba-Krise unterbrachen. Anschließend ging der Kalte Krieg weiter, wenn auch in leicht veränderter Form. Als Sieger konnte sich bei redlicher Überlegung keiner der beiden Politiker fühlen. Chrutschtschows Raketenstrategie war nicht aufgegangen, und er hatte in der
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