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Die 39 Zeichen 08 - Die Entführung am Himalaya

Die 39 Zeichen 08 - Die Entführung am Himalaya

Titel: Die 39 Zeichen 08 - Die Entführung am Himalaya
Autoren: Gordon Korman
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verdanken habe.«
    »Verstehst du nicht?«, fragte Amy. »Wenn die Madrigals so böse sind, wie alle behaupten, hätte ich das Fläschchen gerettet und nicht Ian. Ich habe menschlich gehandelt.« Sie sah ihn ernst an. »Wir müssen nicht böse sein, nur weil wir Madrigals sind. Die Madrigals mögen furchtbar sein – aber das muss nicht unser Schicksal sein.«
    »Was ist mit Mama und Papa?«, fragte Dan.
    »Ich weiß nicht…« Wenn Amy bei den zahlreichen Täuschungsmanövern, die sie auf der Zeichenjagd erlebt hatte, etwas gelernt hatte, dann, dass die Wahrheit mehr wert ist als alles andere. Sie hätte alles für die Überzeugung gegeben, dass ihre Eltern gut gewesen waren. Doch als sich die Blicke der Geschwister trafen, mussten sie an den gleichen Namen denken: Nudelman.
    »Ich hätte Ian auch nicht sterben lassen«, gab Dan nach einer nachdenklichen Pause zu. »Ich finde es nur schrecklich, dass wir die Substanz verloren haben. Wir haben ja nicht einmal ein Zeichen gefunden.«
    Amy lächelte ihn breit an. »Oh doch, haben wir. Wir haben es schon seit der Verbotenen Stadt «, erklärte sie. »Ich habe es nur gerade erst verstanden. Alistair hat Pu Yis Gedicht so übersetzt:
    Was du suchst, hast du in der Hand,
    Festgelegt auf alle Zeit bei der Geburt,
    Wo die Erde dem Himmel begegnet.«
    »Den Teil, ›wo die Erde dem Himmel begegnet‹, verstehe ich ja noch«, sagte Dan. »Aber was hat man in der Hand? Das Einzige, was man vielleicht in der Hand hat, ist das Tuch mit dem Gedicht drauf.«
    »Und das ist aus Seide«, fügte Amy mit leuchtenden Augen hinzu. »Seide kommt vom Seidenspinner, der in Wirklichkeit …«
    »… die Raupe des Bombyx mori ist«, ergänzte ihr Bruder, der an die Zwischenmahlzeit im Shaolin-Tempel denken musste. »Schmeckt wie Hühnchen.«
    Sie warf ihm einen verständnislosen Blick zu und fuhr fort: »Das Zeug kommt flüssig heraus und verfestigt sich zu einem Seidenfaden, sobald Luft daran kommt. Aber die Zutat ist ›festgelegt auf alle Zeit bei der Geburt‹ – in anderen Worten: Seide in flüssiger Form, das rohe Seidenspinner-Sekret. «
    Dan schüttelte verwundert den Kopf. »Und weil Pu Yi keine Gefriertruhe hatte, hat Mallory es für ihn auf dem Mount Everest kühl zwischengelagert. Wow!«
    Amy nickte. »Kannst du dir vorstellen, was Mallory durch den Kopf gegangen ist, als er das Fläschchen vor 86 Jahren auf dem Gipfel hinterlegt hat? Er hatte soeben den Everest erobert, und zwar 29 Jahre vor Sir Edmund Hillary, der 1953 kam.« Sie machte eine wehmütige Pause. »Der arme Kerl konnte ja nicht ahnen, dass er auf dem Rückweg sterben würde. Er ist noch immer am Berg, weißt du. Sein Körper ist steifgefroren. Er wird für immer dort bleiben.«
    »Cool«, meinte Dan. »Ich meine nicht die Sache mit dem Sterben. Aber der Ort seines größten Triumphes ist seine ewige Ruhestätte. Das hat doch irgendwie was.«
    Amy sah ihn tadelnd an. »Ich hatte ganz vergessen, wie schräg du sein kannst.«
    Die Stimme des Piloten unterbrach ihre Unterhaltung. »Auch wenn es keinen von euch amerikanischen Schlaumeiern zu interessieren scheint, ob wir genug Sprit haben, um zu landen – die Antwort lautet Ja. Knapp, aber Ja.«
    »Das ist ja toll!«, rief Amy verlegen aus. »Vielen Dank für… äh, für’s Mitnehmen.«
    » De rien, mademoiselle . Ihr habt mächtige Freunde. Oder zumindest eure Begleiterin mit dem Nasenring.«
    »Ja, wie steht es eigentlich damit?«, überlegte Dan. »Wie viele Au-pair-Mädchen kriegen wohl mit einem einzigen Anruf einen Flug mit dem Ultraleichthubschrauber auf den Mount Everest gebucht?«
    »Nellie ist definitiv mehr als nur ein Au-pair-Mädchen«, stimmte Amy ihm zu. »Du hättest sie mal an der Chinesischen Mauer sehen sollen. Da hat sie ein Schloss geknackt wie ein Profi.« Ihr Gesichtsausdruck wurde sanfter. »Aber egal, was genau dahintersteckt: Sie ist auf unserer Seite, glaube ich.«
    Sie blickten zurück zum Everest , der still und majestätisch dalag.
    »Hast du je davon geträumt, mal da oben zu sein?«, fragte Amy leise.
    »Klar«, erwiderte Dan begeistert. »Dauernd. Eines Tages klettere ich mal hoch.«
    Sie verzog das Gesicht. »Schick mir eine Postkarte.«
    Sie waren mittlerweile so weit unten, dass sie das Dorf Tingri erkennen konnten. Ein oder zwei Kilometer vor dem Dorf kam der Hubschrauberlandeplatz in Sicht. Davor stand Nellie, die mit der Hand die Augen abschirmte und in den Himmel blickte. Nicht weit von ihr war ein winziger grauer Fleck zu
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