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Die 39 Zeichen 02 - Mozarts Geheimnis

Titel: Die 39 Zeichen 02 - Mozarts Geheimnis
Autoren: Gordon Korman
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schreckliche Möglichkeit, die in seinem Kopf herumspukte. »Und was, wenn dieses eine Mal das einzige Mal war? Was, wenn wir die Seiten für immer verloren haben?«
    Dan hatte darauf keine Antwort. Und plötzlich forderte die halsbrecherische Geschwindigkeit, mit der sie die letzten Stunden durchlebt hatten, ihren Tribut. Fünf Stunden Fahrt im Fiat, die Verfolgungsjagd mit der Limousine, der geheime Eingang im Plattenladen, das Janus-Hauptquartier, die Verfolgungsjagd auf dem Kanal, die Kobras.
    Und nun das hier.
    Er hätte sich direkt hier auf den Steinboden legen und ein ganzes Jahr lang schlafen können. Unendliche Erschöpfung erfasste ihn und saugte die letzte Kraft aus jeder einzelnen seiner Körperzellen. Er fühlte sich alt - und das mit elf Jahren.
    Amy musste das gespürt haben, denn sie legte ihm tröstend einen Arm um die Schultern, während sie zur Kirche zurückgingen, wo sie Nellie von den neuesten Entwicklungen berichteten.
    »Es könnte sein, dass wir hier lange warten müssen«, erklärte ihr Amy. »Vielleicht solltest du dir besser ein Hotel suchen und ein paar Stunden schlafen.«
    »Wenn ihr zwei glaubt, dass ich euch heute noch einmal auch nur für eine Minute aus den Augen lasse, dann habt ihr wohl zu viel Kanalwasser geschluckt«, erklärte das
Au-pair-Mädchen streng. »Geht meinetwegen hin und wartet. Ich bleibe hier.«
    »Mrrp«, fügte Saladin schläfrig hinzu.
    Gute alte Nellie. Ihre Fürsorge hob ihre Stimmung zumindest ein bisschen. Der Gedanke, dass da jemand war, der sich um sie kümmerte - jemand, der älter war, wenn es auch nur ein paar Jahre waren -, gab ihnen beinahe das Gefühl elterlicher Geborgenheit. Es war zwar nur ein kleiner Lichtfunken in der riesigen inneren Leere, die Amy und Dan empfanden. Doch die Geschwister hatten in dieser Dunkelheit schon sehr lange gar nichts mehr gesehen.
    Als sie sich hinter die Kirche setzten, um zu warten, holte sie die grimmige Wirklichkeit jedoch schnell wieder ein. Wenn sie die Papiere, die in dem Plastiksitzkissen der Royal Saladin klemmten, nicht wiederbeschaffen konnten, steckten sie in einer ausweglosen Sackgasse.
    Sie hatten alles auf dieser Suche riskiert. Ein Ausscheiden würde aus ihnen nichts weiter als Flüchtlinge vor den Sozialbehörden von Massachusetts machen. Obdachlose Waisen ohne Vergangenheit und ohne Zukunft, die irgendwo weitab von irgendwem oder irgendetwas Vertrautem gestrandet waren.
    Die Minuten krochen dahin, während sie versuchten, sich so gut es ging gegen die klamme Feuchtigkeit der Nacht zu schützen.
    Amy betrachtete Venedigs Lichter, die sich im Wasser hell spiegelten. »Verrückt, hm? Dass so viele schlimme
Dinge an einem so wunderschönen Ort passieren können.«
    Dan befand sich gerade in einem völlig anderen Universum. »Vielleicht sollten wir noch ein Boot klauen. Dann könnten wir wenigstens auf den Kanälen herumschippern. Irgendwo muss die Royal Saladin ja sein.« Er sah sie eindringlich von der Seite an. »Aufgeben ist keine Option.«
    »Und woher würden wir dann wissen, ob die Royal Saladin hier nicht wieder herkommt, eine Minute nachdem wir fort sind? Wir sind hier und hier bleiben wir auch.«
    Für Dan bedeutete das eine besondere Qual. Etwas zu tun - auch wenn es das Falsche war -, war leichter, als einfach nur herumzusitzen. Die erste Stunde war eine schwere Bürde. Die zweite steigerte sich zu einem körperlichen Schmerz. Als die dritte Stunde anbrach, fühlten sie sich betäubt und versanken in tiefster Verzweiflung, während die Geräusche der Stadt immer spärlicher wurden. Alles, was sie noch hörten, war das plätschernde Wasser und ein bisschen Akkordeonmusik in der Ferne.
    Es war ihnen immer bewusst gewesen, dass ihre Suche nur geringe Aussicht auf Erfolg hatte. Aber keiner von ihnen hatte sich ausgemalt, dass ihre Niederlage auf eine so alltägliche Art und Weise einherkommen könnte - eine unglückliche Entscheidung bei der Auswahl eines Verstecks.
    Aber was war das? Amy und Dan lehnten sich nach vorn. Wurde die Musik tatsächlich lauter?
    Die beschwingte Melodie schwoll an, und ein Boot kam um die Biegung des Kanals getuckert, das wie ein Weihnachtsbaum
strahlte. Das offene Heck war mit Menschen gefüllt, die tanzten und ausgelassen feierten. Es war die Royal Saladin .
    Dan spähte auf das Schiff. »Eine Party?«
    »Keine Party«, stieß Amy hervor. »Eine Hochzeit!«
    Braut und Bräutigam küssten sich im Bug, während Blumenmädchen sie mit Rosenblättern überschütteten.
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