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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Autoren: Robin Hobb
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etwas Neues beginnt.« Die Stimme des Prinzen verhallte.
    »Ich verstehe das nicht. Sprich vernünftig«, verlangte Chade.
    »Sinnvoller kann man es nicht beschreiben«, warf ich leise ein. »Ich kenne diese Art von Wesen, Gefühlen und Orten, von denen der Prinz gesprochen hat. Ein oder zwei Mal habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Und ich kenne diese Kreatur. Sie hat uns geholfen; aber ich hatte das Gefühl, dass dieses eine Mal eine Ausnahme darstellte. Vielleicht hätte eine andere von ihnen uns schlicht verschlungen und es noch nicht einmal bemerkt. Es handelt sich um eine unglaublich anziehende Kraft, Chade. Warm und einladend, sanft wie die Liebe einer Mutter.«
    Der Prinz legte die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. »Diese Präsenz war stark. Beschützend und weise. Wie ein Vater«, sagte Pflichtgetreu.
    Ich hielt den Mund. Schon vor langer Zeit war ich zu dem Schluss gekommen, dass diese Mächte uns anboten, wonach auch immer wir uns am meisten sehnten. Meine Mutter hatte mich aufgegeben, als ich noch sehr klein gewesen war. Pflichtgetreu hatte seinen Vater nie gekannt. Solche Dinge hinterlassen tiefe Löcher in der Seele eines Mannes.
    »Warum hast du uns bis jetzt nie etwas davon erzählt?«, fragte Chade mich gereizt.
    Ja, warum? Weil diese Begegnung zu persönlich gewesen war, um sie mit jemandem zu teilen. Doch nun entschuldigte ich mich, indem ich sagte: »Weil du auch mir geantwortet hättest, was du gerade gesagt hast: Rede vernünftig. Diese Präsenz ist ein Phänomen, das ich nicht erklären kann. Vielleicht ist die Form, die sie annimmt, auch nur ein Produkt meines Verstandes. Es gleicht dem Versuch, einen Traum wiederzugeben. Es ist, als würde man versuchen, eine Geschichte aus einer Reihe von Ereignissen zu formen, die jeglicher Logik entbehren.«
    Chade gab nach; zufrieden sah er aber nicht aus. Mir war klar, dass ich später noch eine Menge Fragen über mich würde ergehen lassen müssen.
    »Ich
möchte von der großen Echse erzählen«, bemerkte Dick mürrisch. Er war in seiner Entwicklung an einem Punkt angelangt, an dem er es manchmal genoss, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Offensichtlich hatte er das Gefühl, dass der Prinz ihm mit seiner Geschichte die Schau gestohlen hatte.
    »Sprich weiter, Dick. Erzähl, was du geträumt hast, und dann werde ich erzählen.« Der Prinz schenkte ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
    Chade lehnte sich mit einem lauten Seufzer auf seinem Stuhl zurück. Ich beobachtete, wie sich Dicks Gesicht aufhellte. Er wand sich wie ein gestreichelter Welpe, blinzelte nachdenklich und bemühte sich dann, jene Art von Tonfall zu imitieren, den er von Pflichtgetreu und mir so häufig gehört hatte, wenn wir Chade Bericht erstatteten. »Ich bin letzte Nacht ins Bett gegangen. Und ich hatte meine rote Decke. Dann war Dick fast eingeschlafen und hat mit der Musik angefangen. Dann wusste ich, dass Pflichtgetreu da war. Manchmal folgt ihm Dick in die Träume. Er hat viele gute Träume, Mädchenträume ...«
    Kurz verhallte Dicks Stimme, als er mit weit geöffnetem Mund nachdenklich einatmete.
    Der Prinz fühlte sich sichtlich unwohl, doch Chade und mir gelang es, ernst zu bleiben und weiter interessiert dreinzublicken.
    Unvermittelt setzte Dick seine Geschichte fort. »Dann habe ich gedacht: Wo ist er? Vielleicht ist das ein Spiel. Er versteckt sich vor Dick. Also habe ich gerufen, >Prinz<, und er hat gesagt, >Sei still<. Also war ich still, und Dick ist klein, und die Musik geht um ihn herum. Wie wenn man sich in den Vorhängen versteckt. Dann gucke ich vorsichtig. Und es ist eine große, fette Eidechse, blau, blau wie mein Hemd, aber sie funkelt, wenn sie sich bewegt wie die Messer in der Küche. Dann sagt sie: >Komm raus, komm raus. Wir können ein Spiel spielen.< Aber der Prinz sagt: >Schschsch, tu's nichts und so tue ich es nicht, und dann wird sie wütend. Ihre Augen werden größer und drehen sich wie die Untertasse, die ich fallen gelassen habe. Und dann denkt Dick: >Aber sie ist auf der Traumseite. Ich werde einfach auf die andere Seite gehen.< Deshalb habe ich die Musik lauter gemacht und bin aufgewacht. Und da war keine Eidechse mehr; nur meine rote Decke lag auf dem Boden.«
    Er beendete seine Geschichte mit einem tiefen Seufzer und blickte in die Runde. Ich versetzte Chade einen winzigen Stoß mit der Gabe. Er schaute mich an, ließ es aber wie einen Zufall aussehen. Ich war ungeheuer stolz auf den alten Mann, als er sagte: »Das war ein
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