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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Autoren: Robin Hobb
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linken Nasenloch. Chade saß aufrecht und bebte förmlich vor Energie. Aber was auch immer er getan hatte, um wieder so aufmerksam zu werden, hatte nichts an den roten Adern in seinen Augen geändert. Der Gegensatz zu seinen grünen Pupillen war beunruhigend.
    »Was ich heute gerne tun würde ... Dick. Bitte, hör auf damit.«
    Er schaute mich mit leeren Augen an, den Finger noch immer in der Nase. »Kann nicht. Es sticht da drin.«
    Chade rieb sich die Stirn und blickte zur Seite. »Gib ihm ein Taschentuch«, sagte er, ohne jemand speziellen anzureden.
    Prinz Pflichtgetreu saß Dick am nächsten. »Hier. Putz dir die Nase. Vielleicht kommt es ja raus.«
    Er reichte Dick ein viereckiges Tuch aus besticktem Leinen. Dick betrachtete es misstrauisch mehrere Sekunden lang und nahm es dann. Über den ohrenbetäubenden Geräuschen seines Versuchs, sich die Nase zu putzen, sagte er: »Letzte Nacht hat jeder von uns Gabenwandern in seinen Träumen versuchen sollen.« Ich war ein wenig nervös ob dieses Vorschlags gewesen, doch ich hatte das Gefühl gehabt, dass sowohl Chade als auch Pflichtgetreu dazu bereit waren. Dick vergaß regelmäßig, was er abends tun sollte; also hatte ich mir um ihn keine Sorgen gemacht. Wenn man eine Gabenwanderung unternahm, konnte man seinen eigenen Leib verlassen und für kurze Zeit das Leben durch den Körper eines anderen erfahren. Mir selbst war das mehrere Male schon gelungen, meist durch Zufall. Den Gabenschriften zufolge konnte man auf diese Art nicht nur Informationen sammeln, sondern auch jene ausfindig machen, die als des Königs Born gebraucht werden konnten, als Kraftquellen für den Gabennutzer. Jene, die dafür offen waren, verfügten häufig selbst über ein gewisses Maß der Gabe. Gestern war Chade über meinen Vorschlag begeistert gewesen, doch nun reichte ein Blick auf ihn, um zu wissen, dass ihm die Gabenwanderung nicht gelungen war. Pflichtgetreu blickte ebenso düster drein.
    Ich blickte fragend in die Runde. »Und? Kein Erfolg?«
    »Ich hab's geschafft!«, freute sich Dick.
    »Du hast eine Gaben Wanderung unternommen?« Ich war erstaunt.
    »Nei-ein. Ich habe es rausgeholt. Siehst du?« Er zeigte mir die grünliche Trophäe, die er im Taschentuch des Prinzen gefangen hatte. Chade wandte sich ab und schnaufte angewidert.
    Pflichtgetreu lachte jedoch mit der Unbekümmertheit eines Fünfzehnjährigen laut auf. »Beeindruckend, Dick. Das ist aber ein großer. Sieht aus wie ein alter grüner Salamander.«
    »Ja-ah«, stimmte ihm Dick zufrieden zu. Sein schlaffer Mund verzog sich vor Freude zu einem breiten Lächeln. »Ich habe letzte Nacht eine große blaue Eidechse geträumt. Größer als so!« Er streckte die Arme weit auseinander. Sein Lachen gesellte sich wie das Keuchen eines Hundes zum Gelächter des Prinzen.
    »Mein Prinz und zukünftiger Monarch«, erinnerte ich Pflichtgetreu in strengem Ton. »Wir haben Arbeit zu erledigen.« In Wahrheit musste ich darum kämpfen, ernst zu bleiben. Es war schön, Pflichtgetreu so ungezwungen lachen zu sehen, selbst über so etwas Kindisches. Seit ich den Jungen kennen gelernt hatte, schienen stets sein Rang und seine Pflichten auf ihm zu lasten. Nun sah ich zum ersten Mal, wie er sich wie ein Jüngling im Frühling benahm. So bedauerte ich meinen Tadel auch schon, als das Lächeln von seinem Gesicht verschwand. Mit einem Ernst, der den meinen bei weitem übertraf, drehte er sich zu Dick um, nahm ihm das Taschentuch ab und knüllte es zusammen.
    »Nein, Dick. Hör auf. Hör mir zu. Du hast eine große blaue Echse geträumt? Wie groß?«
    Der intensive Tonfall in der Frage des Prinzen ließ Chade sich umdrehen. Doch Dick war verwirrt und beleidigt, weil Pflichtgetreus Verhalten ihm gegenüber sich so abrupt verändert hatten. Er legte die Stirn in Falten und schob Unterlippe und Zunge vor. »Das war nicht nett.«
    Ich erkannte die Phrase wieder. Wir hatten an Dicks Tischmanieren gearbeitet. Wenn er uns auf der Reise nach Aslevjal begleiten sollte, dann musste er sich wenigstens ein Mindestmaß an Höflichkeit aneignen. Unglücklicherweise schien er sich nur an die Regeln zu erinnern, wenn er jemand anders mit ihnen tadeln konnte.
    »Es tut mir Leid, Dick. Du hast Recht. Sich einfach etwas zu schnappen, ist nicht nett. Jetzt sag mir, wie groß die Echse war, die du geträumt hast.«
    Der Prinz lächelte Dick ernst an, doch der Themenwechsel war zu schnell für den kleinen Mann. Dick schüttelte den schweren Kopf, wandte sich ab und
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