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Die 13. Stunde

Titel: Die 13. Stunde
Autoren: Richard Doetsch
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Polizisten ermorden, bekommen Sie die Todesstrafe.«
     »Verstehen Sie denn nicht?«, rief Nick verzweifelt. »Meine Frau lebt! Man hat mich reingelegt! Ich muss hier weg.« Nick zerrte Dance rückwärts zum Zweiwegespiegel; dann fuhr er Shannon an: »Lassen Sie die Waffe fallen!«
    »Einen Dreck werde ich tun«, erwiderte Shannon.
    Nick schaute auf die Uhr. 21.58 Uhr. Er spannte den Hahn der Pistole. Das Knacken erschreckte Dance.
    »Bob!«, rief Dance. »Tu, was er sagt.«
    »Niemals.«
    »Mach schon!«, kreischte Dance. »Der Kerl knallt mich ab!«
    Nick richtete die Waffe sofort auf das Glas hinter sich und drückte ab. In dem kleinen Raum dröhnte der Knall wie ein Kanonenschuss. Der Zweiwegespiegel zersprang in tausend Stücke. Ein kleiner dunkler Raum wurde sichtbar; in der Mitte stand eine Videokamera, die auf sie gerichtet war.
    Nick drückte die Pistole gegen Dance’ Kinn und versengte ihm die Haut mit der heißen Mündung.
    Shannon hockte wieder auf einem Knie, hatte die Waffe aufgenommen und zielte auf Nick.
    »Sehen Sie mich an.« Shannons Stimme war gespenstisch ruhig. Seine Waffe blieb auf Nick gerichtet, während er den Umschlag nahm und acht oder zehn Fotos auf die Resopalplatte schüttete. »Sehen Sie diese Bilder?«, fragte Shannon mit zusammengebissenen Zähnen, nahm eines nach dem anderen auf und schob sie zu Nick hinüber.
    Insgesamt waren es zwanzig Fotos, in Farbe und aus verschiedenen Winkeln aufgenommen. Das Blut sah dick aus, ganz anders, als Nick erwartet hätte. Es war nicht wie im Fernsehen oder im Kino, wo das Blut einen zwar abstößt, wobei man aber weiß, dass es nur ein Hollywoodtrick ist. Diese Fotos aber gaben die Wirklichkeit wieder, eine brutale, grausame Wirklichkeit, die Nick dennoch in ihren Bann zog. Sosehr er es vermeiden wollte – er schaute sich jedes Bild genau an: den Fußboden, Julias Kleidung, den schwarzen Rock, den sie getragen hatte, als er sie zum letzten Mal sah, ihren Ringfinger mit dem Ehering, den er ihr in St. Patrick’s angesteckt hatte, und schließlich ihr Gesicht – oder was davon noch übrig war.
    Die linke Hälfte war verschwunden, das Auge fehlte, Schläfe und Stirn waren zerschmettert. Aber die rechte Hälfte … Nick brauchte nur ihr gebrochenes blaues Auge mit den haselnussbraunen tanzenden Flecken unter der blonden Braue zu sehen, und er wusste es: Die Tote, die ihn blicklos anstarrte, war tatsächlich seine Frau.
    In diesem Moment überfiel ihn die Verwirrung aufs Neue. Ein Schrei gellte in seinem Kopf, und die düstere Wirklichkeit manifestierte sich in einem einzigen Gedanken.
    Julia ist tot.
    »Ich zähle bis drei«, sagte Shannon. »Mir ist es scheißegal, ob Sie Dance erschießen, aber ich knalle Sie hier vor laufender Kamera ab! Ich habe jeden Grund dazu!«
    Nick drückte die Waffe fester gegen Dance’ Kinn. Der Griff des Detectives um seinen Unterarm verkrampfte sich. Nick bemerkte erst jetzt, dass Dance’ rechter Ringfinger fehlte, sodass der leere Finger des Latexhandschuhs schlaff herabhing.
    Nick schaute zur Wanduhr. Der Minutenzeiger zuckte auf die volle Stunde zu.
    »Eins …«, flüsterte Shannon.
    »Das kann nicht sein«, sagte Nick verzweifelt und starrte wieder auf die Bilder. Er wünschte sich, es wäre alles nur ein Albtraum; er wünschte sich, er wäre jemand anders, damit er seinem toten, leeren Herzen entkommen konnte. Julias verunstaltetes Gesicht starrte ihn an und machte seinen Schmerz unerträglich. Er versuchte, den Blick abzuwenden …
    »Zwei ….« Diesmal war Shannons Stimme lauter.
     »Ich muss hier weg«, sagte Nick, und eine unnatürliche Ruhe überkam ihn. »Ich kann sie retten.«
    Doch nichts ergab Sinn, nicht Julias Tod, nicht diese unmögliche Situation. Wie sollte er sie retten können, wenn sie bereits tot war? Doch ihm klang die Stimme des Unbekannten noch immer in den Ohren:
    Sie haben zwölf Stunden.
    »Drei.«
    Shannon spannte langsam den Hahn seiner Pistole.
    Doch ehe der Hammer auf die Messinghülse der Patrone schlug und die Kugel aus dem Lauf jagte, versank die Welt um Nick in Dunkelheit.
     

 

     
    D en großen Flachbildfernseher füllte verbrannte Erde. Auf dem weiten Feld lagen weiße Fetzen verstreut, die sich bei genauerem Hinsehen als Bettlaken erwiesen, mit denen die verbrannten und zerfleischten Überreste von 212 Flugpassagieren bedeckt worden waren. Um 11.50 Uhr hatte der A 300 den Flughafen Westchester verlassen. Zwei Minuten später war die Maschine vom klaren blauen Himmel
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