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Die 13. Stunde

Titel: Die 13. Stunde
Autoren: Richard Doetsch
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Diese Stadt wurde völlig auf den Kopf gestellt – so wie Ihr Leben.«
    Die ganze Welt wirbelte um Nick herum, als befände er sich in jenem Dämmerzustand zwischen Schlaf und Wachen, wenn der Verstand mit Gedankenfetzen bombardiert wird und der Geist verzweifelt versucht, diese Fragmente zu einem erkennbaren Bild zusammenzufügen.
    Nick blickte auf den Umschlag und schob den Finger unter die zugeklebte Lasche.
    »Öffnen Sie ihn jetzt noch nicht.« Der Mann legte seine Rechte auf Nicks Hand.
    »Warum nicht?«
    »Warten Sie, bis Sie hier raus sind.« Der Mann zog die Hand weg und lehnte sich im Stuhl zurück.
    »Ich? Hier raus?«
    »Ihnen bleiben zwölf Stunden.«
    Nick blickte auf die Wanduhr. Sie zeigte 21.51 Uhr. »Zwölf Stunden wozu? «
    Der Mann zog eine goldene Taschenuhr aus der Jacke und klappte den Deckel auf, sodass ein altmodisches Zifferblatt sichtbar wurde. »Zeit ist zu kostbar, als dass man sie verschwenden sollte. In Ihrem Fall gilt das ganz besonders.« Der Mann klappte den Deckel der Uhr wieder zu und reichte sie Nick. »Da Ihnen ein Zeitmesser fehlt, wie ich sehe, und da Sie unter gewaltigem Druck stehen, sollten Sie diese Uhr nehmen und den Minutenzeiger im Auge behalten.«
    »Wer sind Sie?«
    »Alles, was Sie wissen müssen, steht in dem Brief. Aber wie gesagt – öffnen Sie ihn auf keinen Fall, ehe Sie hier raus sind.«
    Nick blickte auf den Zweiwegespiegel und auf die schrottreife Stahltür. »Und wie soll ich von hier wegkommen?«
    »Nun, solange Sie hier drin sind, können Sie ihrer Frau nicht das Leben retten.«
    Nick wurde wütend. »Was reden Sie da? Wo soll sie denn sein?«
     Der Mann blickte auf die Wanduhr und erhob sich. »Sie sollten sich überlegen, wie Sie hier rauskommen. Ihnen bleiben nur noch neun Minuten.«
    »Warten Sie …«
    »Viel Glück.« Der Mann klopfte zweimal gegen die Tür. »Passen Sie gut auf die Uhr auf. Sie haben zwölf Stunden. In der dreizehnten Stunde ist alles verloren. Dann ist Ihr Schicksal und das Ihrer Frau besiegelt. Dann wird Ihre Frau einen viel schlimmeren Tod gestorben sein, als Sie jetzt vielleicht glauben.«
    Die Tür wurde geöffnet, und der Mann verließ das Verhörzimmer. Nick saß allein am Tisch und starrte auf den Umschlag. Er war versucht, ihn zu öffnen, schob ihn dann aber zusammen mit der goldenen Uhr in die Innentasche seines Jacketts, denn er wusste, dass er niemals erfahren würde, wovon der Unbekannte gesprochen hatte, wenn man die Uhr bei ihm fand.
    Der Fremde hatte ihm keine weiteren Informationen gegeben, keine Namen genannt und auch nicht erklärt, wie Julia noch leben konnte. Nick hatte doch ihre Leiche gesehen! Allerdings hatte er ihr nicht ins Gesicht geschaut, weil Marcus ihn davon abgehalten hatte. Doch er hatte die Kleidung gesehen, die Julia getragen hatte, als sie am Morgen zur Arbeit gegangen war …
    Ohne Zweifel – es war Julia gewesen. Sie hatte zu ihm hochgerufen, als sie nach Hause kam, war aber nicht zu ihm in die Bibliothek gekommen, weil sie ihn nicht hatte stören wollen. Nick hörte in Gedanken ihre Stimme. Es war das letzte Mal gewesen, dass sie seinen Namen gerufen hatte …
    Nick griff in die Tasche und zog den Brief halb heraus, doch sofort kam die Warnung des Mannes ihm wieder in den Sinn, und er schob das Schreiben zurück. Er musste an die Augen des Fremden denken, in denen eine solche Überzeugungskraft gelegen hatte, dass Nick geneigt war, ihm zu glauben.
     Der seltsame Fremde hatte Nicks bereits erloschene Hoffnung neu entfacht. Nick hatte keinen blassen Schimmer, wie Julia noch am Leben sein könnte, doch wenn es nur einen Funken Hoffnung gab, wenn auch nur die geringste Chance bestand, sie zu retten …
    … musste er aus diesem Verhörraum verschwinden.
    Nick dachte fieberhaft nach. Es war ein aberwitziges Vorhaben, aber es war nicht unmöglich. Er blickte auf die Tür. Sie war zwei Zoll dick mit einem schweren Sperrriegel. Fenster oder andere Türen gab es nicht. Nick schaute auf die Weißwandtafel und die Wanduhr, auf der sich der große Zeiger der zweiundzwanzigsten Stunde näherte.
    Dann fiel sein Blick auf den Zweiwegespiegel. Er starrte sein Spiegelbild an, wie er mutterseelenallein in dem kahlen Raum auf dem unbequemen Metallstuhl saß, während der Colt Peacemaker mitten auf dem Tisch lag.
    Nick lächelte.
    Der Spiegel war aus Glas.
     
Detective Ethan Dance kam in den Verhörraum zurück. Der Blick aus den ständig verschlafenen Augen des achtunddreißigjährigen Kriminalbeamten blieb
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