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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
Autoren: Edgar Wolfrum
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benannte neben vielen anderen folgenden wesentlichen Unterschied: Während die Weimarer Republik eine schutzlose Demokratie gewesen war, entwickelte sich die Bundesrepublik zur wehrhaften Demokratie. Ihren Feinden entzog sie das Betätigungsfeld: 1952 wurde die neonazistische Sozialistische Reichspartei verboten und 1956 die Kommunistische Partei.
    In der DDR behauptete die SED, die Lehren aus Weimar seien bereits zwischen 1945 und 1949 in der «antifaschistisch-demokratischen Umwälzung» vollzogen worden. Die bundesdeutsche Demokratie konnte es sich nicht so leicht machen. Hier entwickelte sich ein regelrechter «Weimar-Komplex», der sich nicht nur aus der Angst vor einem erneuten Scheitern der Demokratie und der Sorge um deren Erhalt speiste, sondern ebenso aus dem unterdrücken, fast traumatischen Gefühl, Schuld am Aufstieg Hitlers gewesen zu sein. Im Laufe der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik gingen die Weimar-Vergleiche zurück, dennoch flackerten sie bis in unsere Tage hinein immer wieder einmal auf. Signifikant war jedoch der Wandel: Diese Vergleiche sind zum Mittel geworden, sich seiner selbst zu vergewissern und der zweiten deutschen Demokratie Normalität zu bescheinigen.
    13. Sind Große Koalitionen gut für eine Demokratie? Auf Länderebene regiert immer wieder einmal eine Große Koalition; und während der Besatzungsjahre zwischen 1945 und 1949 galten sogar regionale und kommunale Allparteienregierungen als einziger Auswegaus der deutschen Misere und dem Chaos. Nach der ersten Bundestagswahl 1949 glaubten viele, auch auf Bundesebene sollte eine solche Verantwortungsgemeinschaft in schweren Zeiten gebildet werden. Es war ein Glück für die Demokratie, dass es nicht dazu kam, sondern dass sich alsbald Regierung und Opposition hart gegenüberstanden. Betrachtet man die Bundesregierungen, so hat es bisher nur zwei Große Koalitionen zwischen CDU/CSU und SPD geben, die erste von 1966 bis 1969 und die zweite seit 2005. Beide waren in ihren Konstellationen grundverschieden, doch weder bei der ersten noch bei der zweiten handelte es sich um eine Liebesheirat. Dies wäre auch nicht gut, denn solche Mammuthochzeiten werfen immense Probleme für die Demokratie auf, auch wenn der Vorwurf, man marschiere ohne Umweg in den verkappten Einparteienstaat, übertrieben ist.
    1966 hatte die Union genug von der renitenten FDP, mit der sie lange regiert hatte, und war nach all dem Streit bereit, lieber die Kröte einer Großen Koalition mit der SPD zu schlucken und so ihre eigene Macht zu erhalten. Da die Wirtschaft mit einem Male nicht mehr rund lief und Unruhe in der Gesellschaft aufkam, glaubten viele, eine gemeinsame Kraftanstrengung der beiden großen Parteien sei nötig. Außerdem drängte die SPD seit langem darauf, ihre Regierungsfähigkeit zu beweisen; seit einigen Jahren hatte sie eine «Umarmungsstrategie» gegenüber der CDU/CSU eingeschlagen, sie wollte heraus aus der Daueropposition seit 1949 und neben der «geborenen Staatspartei» CDU/CSU endlich auch salonfähig werden. Die Lage im Jahr 2005 war dagegen so: Nach sieben Jahren rot-grüner Koalition wollte die SPD ihre Macht erhalten und war nach einigem Hin und Her schließlich bereit, Angela Merkel als Kanzlerin zu akzeptieren.
    Was ist positiv an Großen Koalitionen? Zum einen: Sie können eine Ansammlung des besten politischen Personals der Republik sein; in der ersten Großen Koalition war dies der Fall, man denke nur an die kongeniale Zusammenarbeit zwischen dem Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) und dem Finanzminister Franz Josef Strauß (CSU), die frei nach Wilhelm Busch «Plisch und Plum» genannt wurden. Zum anderen: Sie beweisen, dass demokratische Parteien untereinander prinzipiell koalitionsfähig sind. Und welches sind die negativen Seiten? Vor allem, dass die parlamentarische Opposition klein ist, dass die Ränder der Politik sich radikalisieren – so 1966 in Gestalt der NPD und nach 2005 im Erfolg der Linken – und sogar, wie 1966, eine Außerparlamentarische Opposition entstehen kann.Andererseits bietet eine temporäre «Elefantenehe» der Opposition auch Gelegenheit, sich zu profilieren; so nutzte die FDP seit 1966 die Zeit zu einer Art Runderneuerung. Für Kanzler sind Große Koalitionen schwierig. Kurt-Georg Kiesinger agierte in der Art eines wandelnden Vermittlungsausschusses; Angela Merkel muss dies oft nachahmen. Gefordert sind insbesondere die Fraktionsvorsitzenden, die nicht selten vor dem Dilemma stehen, dass zur
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