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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
Autoren: Edgar Wolfrum
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gleichen Zeit die einen bremsen und die anderen beschleunigen. Die erste Große Koalition war eine der erfolgreichsten Regierungen, die die Bundesrepublik kannte. Ihr gelang es, die wirtschaftliche Rezession zu überwinden, grundlegende Verfassungsreformen zu verabschieden und die Außenpolitik zu stabilisieren. Die Leistungen der zweiten Großen Koalition fallen gemischter aus. Am wichtigsten erscheint – neben den Arbeitsmarktprogrammen und der Gesundheitsreform – die weit reichende Neuregelung des Föderalismus, die die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu verteilt. 1966 gab es eine Koalition der Unverzagten, es herrschte Aufbruchstimmung; 2005 wurde eine Koalition der Verzagten gebildet, es obwaltete Krisenstimmung. In der ersten wie in der zweiten Großen Koalition waren die Differenzen zwischen den Partnern erheblich, der Konsensvorrat war rasch aufgebraucht und der Nachschub fehlte. Seit der Halbzeit der Legislaturperiode schielte man auf die nächsten Wahlen, die politische Kreativität erlahmte.
    Kein Demokrat darf sich eine Große Koalition auf lange Zeiten wünschen; sie müssen die Ausnahme bleiben. Streit um die besseren Konzepte ist das Lebenselixier einer Demokratie. Man könnte es auch so sagen: Konsens ist gut, doch am Beginn muss Konflikt stehen. Im Übrigen war die erste Große Koalition wirklich groß, sie umfasste fast 90 Prozent der Wählerstimmen, während die zweite ab 2005 nur noch etwas mehr als 60 Prozent ausmachte. Häufig wird auch vergessen, dass andere politische Konstellationen Ähnliches bewirken können wie Große Koalitionen. Verfassungsänderungen sind nämlich auch möglich, wenn eine der großen Parteien weniger als ein Drittel der Bundestagsmandate auf sich vereint – so wie die SPD in den beiden ersten Wahlperioden 1949–1953 und 1953–1957 – und wenn zugleich die Bundesregierung im Parlament und im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit schaffen kann. Das war 1949 bis 1957 der Fall. Es empfiehlt sich also, genau hinzuschauen.
    14. Was hatte die RAF mit dem «deutschen Herbst» zu tun? Die «Rote Armee Fraktion» (RAF) führte gegen die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik einen «Krieg von 6 gegen 60 Millionen», wie es Heinrich Böll seinerzeit ausdrückte. Seit 1970 gab es die Selbstbezeichnung und das Logo der Gruppe zeigte eine Maschinenpistole vor einem Roten Stern. Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe, die zentralen Figuren der ersten Terroristengeneration, verstanden sich als deutsche Formation im internationalen Befreiungskampf, ließen sich in Jordanien und Syrien in Trainingscamps der PLO ausbilden und wollten mit dem Konzept der «Stadtguerilla» den angeblich faschistischen bundesdeutschen Staat aus den Angeln heben. Ihre radikal-aberwitzige Vergangenheitsfixierung offenbarte sich auch bei der Namensgebung, die tief in das Arsenal deutscher Schreckbilder griff: «Rote Armee» – dies ließ den Einmarsch der sowjetischen Rotarmisten grell im Gedächtnis aufblitzen; und «RAF» war ebenso die Abkürzung der «Royal Air Force», die im Zweiten Weltkrieg die verheerenden Bombenangriffe gegen deutsche Städte flog.
    Bereits nach wenigen Jahren zog diese erste Generation der RAF eine Blutspur von acht Morden hinter sich her, doch bis Mitte 1972 gelang es der Polizei, die Führungsriege hinter Schloss und Riegel zu bringen. Daraufhin entstand die zweite RAF-Generation. Sie ging noch skrupelloser vor. Der Terror eskalierte. Ihr Ziel lautete: «Freipressung der inhaftierten Kampfgenossen». Im April 1977 wurden in einem Aufsehen erregenden Prozess die im Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim inhaftierten Terroristen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Nun begann die mörderische Offensive der in Freiheit verbliebenen RAF-Terroristen: Die ersten Opfer waren Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine Begleiter; sie wurden am 7. April in Karlsruhe erschossen. Im Juli fiel der Bankier Jürgen Ponto der RAF zum Opfer, und am 5. September entführte ein Terrorkommando Hanns-Martin Schleyer, den Präsidenten der deutschen Arbeitgeberverbände in Köln. Seine Personenschützer und sein Fahrer wurden kaltblütig ermordet. Unterstützung fanden die deutschen Terroristen bei palästinensischen Gesinnungsgenossen: Am 13. Oktober kaperte ein PLO-Kommando die Lufthansa-Maschine Landshut mit 86 deutschen Urlaubern auf ihrem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main. Sie drohten, die Maschine in die Luft zu
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