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Diana - sTdH 5

Diana - sTdH 5

Titel: Diana - sTdH 5
Autoren: Marion Chesney
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besuchen. Die
tiefe Stille, die im Pfarrhaus herrschte, fiel ihm heute besonders auf. Es war
noch gar nicht so lange her, als alle Mädchen zu Hause waren – und auch die
Zwillinge –, damals gab es ein ständiges Kommen und Gehen.
    Jetzt
schienen die Räume kleiner und dunkler geworden zu sein. Mrs. Armitage hatte
gerade einen neuen Blutreinigungstee ausprobiert, und das Ergebnis war so
durchschlagend, daß sie nun völlig hilflos zu Bette lag und sich von dem
Hausmädchen, Sarah, pflegen lassen mußte. Frederica kauerte am Fensterplatz im
Salon und steckte ihre Nase tief in ein Buch. Ihr einstmals lockiges Haar hing
jetzt in Strähnen um ihr
schmal gewordenes Gesichtchen.
    »Wo ist
Diana?« fragte der Pfarrer.
    Frederica
schaute ihn mit großen, abwesenden Augen an und legte langsam einen Finger auf
die Buchseite, um die Stelle, an der sie gerade war, zu markieren.
    »Sie zieht
sich an, Papa«, sagte sie und schaute ihn dabei flehend an. Der Pfarrer kannte
diesen Blick seit langem. Er bedeutete: Bitte geh weg und überlasse mich meinem
Buch.
    »Geh und
suche Sarah und schicke sie sofort zu mir«, befahl er kurz angebunden.
    Frederica
seufzte, legte ihr Buch hin und bewegte sich gedankenverloren aus dem Zimmer.
    Betty, die
bei den vier älteren Mädchen als Kammerzofe tätig gewesen war, war jetzt
glücklich mit dem Kutscher John Summer verheiratet. Der Pfarrer war immer noch
äußerst sparsam, wenn es darum ging, Diener einzustellen, und so war Sarah
nicht nur Kammermädchen, sondern auch Serviererin und Anstandsdame. John Summer
war immer noch Herr über den Stall und die Zwinger, Vorreiter und Kutscher in
einem.
    Sarah kam
hereingetrippelt, und der Pfarrer sah sie in einer Weise an, wie kein
Gentleman, und am allerwenigsten ein Pfarrer, ein Dienstmädchen anschauen
sollte. Es war nicht zu leugnen, daß Sarah eine voll erblühte Rose vom Land
war. Ihr blondes Haar glänzte vor Gesundheit, und ihre festen Brüste zeichneten
sich unübersehbar unter der Schürze ab. Die kleinen Knopfaugen des Pfarrers
leuchteten vor Anerkennung, und er versuchte, seinen Bauch einzuziehen.
    »Was zieht
Miß Diana an?« wollte er wissen.
    Sarah
kicherte: »Miß Diana zieht das alte violette Kleid an, das sie immer trägt,
wenn sie Besuche macht, Sir.«
    »Dann wirst
du, kleines Fräulein, jetzt sofort hinaufgehen und meiner Tochter sagen, daß
sie das Musselinkleid, das Minerva ihr
geschickt hat, anziehen soll, mit der Pelerine und dem neuen Hut, der dazu
paßt, sonst greife ich zur Peitsche. Raus mit dir.«
    Sarah
kicherte von neuem und warf den Kopf zurück, daß dem Pfarrer die kecken
Bändchen ihrer Haube ins Gesicht flogen.
    Der Pfarrer
folgte ihr nach draußen. Er mußte sich ebenfalls umziehen, und außerdem wollte
er den Anblick, wie Sarah die Stufen hinaufging, nicht versäumen.
    Sein Magen
knurrte. Er konnte sich einfach nicht an diese neumodischen Zeiten gewöhnen.
Sie würden um vier Uhr nachmittags bei den Chumleys ankommen, und das war die
Zeit, wo sich ein zivilisierter Mensch zum Dinner niederließ. Aber die
Chumleys hielten sich an Londoner Zeiten, und das bedeutete, daß es nur Tee
geben würde. Sein Frühstück, das aus Beefsteak, dunklem Bier, Austern, Brot,
Butter, Eiern, Gebäck, Krabben und gebratenem Speck bestand, schien ihm endlos
lange her zu sein.
    Er kramte
in dem Schrank unter seinem Toilettentisch, wo er seine Flasche »Mondschein« –
geschmuggelter weißer Brandy – aufbewahrte, und nahm einen kräftigen Schluck.
Dann fing er an, von der Jagd am nächsten Tag zu träumen. Bestimmt würde er den
Fuchs endlich kriegen und damit den Beweis haben, daß dieser kein
übernatürliches Wesen, sondern ein Tier wie alle anderen Füchse war.
    Er trank
und träumte, und träumte und trank, bis ihn plötzlich Sarah aus seinen Träumen
riß. Sie rief, daß Miß Diana bereits unten auf ihn warte.
    Er beendete
in aller Eile seine Toilette, stülpte sich den Schaufelhut auf den Kopf und
machte sich auf den Weg nach unten. Sarah kam herbeigeeilt, um ihm die Türe zum
Salon aufzuhalten.
    Einen
Augenblick lang dachte der Pfarrer, die elegante Dame, die vor ihm stand, sei
eine Fremde. Dann sah er, daß es
schließlich Diana war. Aber was für eine Verwandlung!
    Ihre
schwarzen Locken quollen unter einem bildhübschen Hut hervor, dessen Rand mit
weinfarbener Seide eingefaßt war. Ihr blaßgoldenes Musselinkleid war mit Kornähren
und wilden Blumen bestickt und unter dem Busen mit zwei langen Satinbändern
gebunden. Die
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