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DHAMPIR - Blutsverrat

DHAMPIR - Blutsverrat

Titel: DHAMPIR - Blutsverrat
Autoren: Barb & J. C. Hendee
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Korey tat Leesil leid, aber wenigstens würde sie bei Hedí und Emêl bleiben können.
    Chap und Wynn bekamen ein Zimmer im ersten Stock, und auf der anderen Seite des Flurs öffnete eine Bedienstete die dicke Holztür eines Raumes, der für Leesil und Magiere bestimmt war. Leesil trug ihre Reisetruhe hinein und setzte sie am Fußende des Bettes ab.
    Ein dicker Teppich bedeckte den steinernen Boden zwischen einem gepolsterten Stuhl und einer Kommode mit polierten Messinggriffen. Das Gemälde an der gegenüberliegenden Wand zeigte vom ersten Sonnenschein des Morgens berührte Berge. Auf dem Bett, das drei Personen genug Platz geboten hätte, lag eine cremefarbene Steppdecke mit Spitzenbesatz.
    Magiere stellte eine kleinere Truhe auf Leesils große, ging zur anderen Seite des Bettes und strich mit den Fingerkuppen über die Steppdecke. Sie stand dort, starrte auf das Bett hinab und schien nicht sicher zu sein, ob sie einem derartigen Luxus trauen konnte.
    Leesil öffnete die kleine Truhe, die Emêl ihnen leer übergeben hatte. Darin lagen, sorgfältig von einer Decke umhüllt, die Totenköpfe seines Vaters und einer Großmutter, die er nie kennengelernt hatte.
    Seine Mutter lebte noch, doch derzeit brachte ihm dieser Gedanke keine Erleichterung. Er berührte den Schädel seines Vaters und sah auf den seiner Großmutter hinab, die Chap Eillean genannt hatte. Sie hatte zu den Ältesten der Anmaglâhk gehört.
    In Dröwinka herrschte Bürgerkrieg. An der strawinischen Grenze hatte der große Hauptmann von Soladran befürchtet, dass jener Krieg auch sein Land erreichen könnte. Und jetzt stand den Kriegsländern ein Flächenbrand bevor.
    Jenes Feuer hatte Leesil gelegt, in einem Moment unerträglichen Schmerzes. Im Beisein von Wynn und der anderen hatte Chap nicht darauf hingewiesen, aber es war Leesil dennoch deutlich geworden.
    Zwar sah er sich als Gegner der Kaste seiner Mutter, doch letztendlich hatte er in ihrem Sinne gehandelt.
    Leesils Blick kehrte zu dem Totenkopf seines Vaters zurück, als Magiere hinter ihn trat.
    »Meine Mutter möchte ihn bestimmt selbst begraben«, flüsterte er. »Wenn wir sie finden und ihr dies bringen können.«
    Magieres Hand berührte ihn kurz an der Schulter und verschwand dann wieder. »Ziehen wir die Stiefel aus.«
    Das war die Rolle, die sie während der letzten Tage übernommen hatte: die der abgeklärten Betreuerin. Leesil stand auf, streifte den Mantel ab, setzte sich dann aufs Bett und zog die Stiefel aus. Als er das Hemd ablegte, stellte er fest, dass es regelrecht stank. Hoffentlich bekamen sie Gelegenheit, ihre Kleidung zu waschen, bevor sie in Richtung Berge aufbrachen.
    Magiere setzte sich neben ihn und schlüpfte ebenfalls aus den Stiefeln. An der einen Schulter war ihr Hemd aufgerissen, und dort zeigte sich ein Fleck aus getrocknetem Blut.
    »Wir finden sie, Leesil. Morgen beginnen wir mit der Suche.«
    Er nickte wortlos.
    »Leg dich hin«, sagte Magiere leise.
    Leesil streckte sich auf dem Bett aus und beobachtete, wie sie den Lederriemen löste, der ihr schwarzes Haar zusammenhielt. Dabei bemerkte er den Blutfleck am Hemd unter dem anderen Arm.
    Sie ließ den Riemen einfach fallen und schüttelte das Haar frei. Das Licht im Zimmer war nicht hell genug, um rote Reflexe darin zu schaffen.
    Magiere blieb so lange von ihm abgewandt, dass sich Leesil fragte, ob er mehr als seinen Vater verloren hatt e … und ob es sein einziger Verrat gewesen war, sich gegen die Kaste seiner Mutter zu wenden. Sie drehte sich so plötzlich um, dass er gar nicht ihr blasses Gesicht sah, als sie sich neben ihn legte. Im nächsten Moment strich ihr Arm über seine Brust.
    Er legte seine Hand auf die ihre, ganz vorsichtig, weil er nicht wusste, wie sie reagieren würde.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Ihre Hand kroch zu seiner Schulter, und sie rückte näher, bis er ihr Gesicht an der Wange spürte. Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete.
    »Bald wird alles gut«, flüsterte sie.

Epilog
    Aoishenis-Ahâre , der Älteste Vater, fühlte den Ruf von Brot’ân’duivé im Innern der großen Eiche, in der er ruhte. Der Baum war fast ebenso alt wie er und der älteste im großen Wald. Sein betagter Körper, erfüllt von einem zu langen Leben, ruhte an einem bequemen Platz, umgeben vom lebenden Holz des Baumes.
    Ganz zu Anfang war der Hohlraum sorgfältig auf seine zukünftigen Bedürfnisse vorbereitet worden. Er hatte so lange gelebt, dass sich selbst die Ältesten der Clans nicht mehr an die
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