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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren
Autoren: Samuel R Delany
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Stille deutlich. Er ging weiter und hielt nach dem nebelverhangenen Mond Ausschau. -
    Zersplitterndes Glas lenkte seine Augen wieder auf die Straße.
    Er hatte Angst und war neugierig; doch die Furcht hatte er die ganze Zeit über gespürt, ein dumpfes, lähmendes Gefühl; Neugier erwachte in ihm.
    Er rannte auf die nächste Mauer zu, bewegte sich an ihr entlang weiter und probte sämtliche Reaktionen auf alles Schreckliche, was passieren könnte. Er kam an einem Eingang vorbei und merkte ihn sich als eventuelle Deckung, ging dann bis zur Ecke vor. Stimmen. Und mehr Glas.
    Er spähte um die Hausecke.
    Drei Menschen sprangen aus einem zertrümmerten Schaufenster zu zwei anderen. Ein Hund folgte ihnen bellend auf den Gehsteig. Ein Mann wollte hineinklettem, tat es. Zwei andere gingen den Block hinunter.
    Der Hund rannte im Kreis, hinter ihnen her -
    Er wich zurück, die freie Hand kratzte über die Ziegel.
    Der Hund, der zehn Fuß weiter auf und nieder tanzte, bellte, bellte, bellte wieder.
    Trübes Licht erhellte Fangzähne und das Gebiß. Die Augen (er schluckte schwer) leuchteten rot, ohne Weiß darin oder Pupille, glatt wie rotes Glas.
    Der Mann kam wieder aus dem Fenster heraus. Einer in der Gruppe drehte sich um und rief: »Muriel!« (Es hätte eine Frau sein können.) Der Hund fuhr herum und rannte ihnen nach.
    Noch eine Laterne, weiter den Block hinunter, verwandelte sie für einen Moment in eine Silhouette.
    Als er sich vor der Mauer löste, unterbrach sein Atem die Stille und schockierte ihn genauso, als hätte jemand seinen . . . Namen gerufen? Er überlegte und überquerte die Straße auf die Ecke der Laderampe zu. An Schienen unter der Plane schwangen leise vier und sechs Fuß lange Fleischerhaken - obwohl kein Wind wehte. Es müßte auch, dachte er, ein ganz schöner Sturm sein, der sie zum Schwingen bringen würde -
    »Hey!«
    Hände, eine frei, eine mit Blume, fuhren schützend vor das Gesicht. Er wirbelte herum, bückte sich. »Du da unten!«
    Mit eingezogenen Schultern blickte er hoch. Rauch schwebte oben am Gebäude, acht Stockwerke hoch, vorbei.
    »Was tust du da, huh?« Er ließ die Hände sinken.
    Die Stimme, rauh und barsch, klang fast betrunken.
    Er rief: »Nichts!« und wünschte, sein Herz wäre ruhig. »Laufe nur so herum.«
    Hinter Rauchschwaden stand jemand auf dem Sims. »Was hast du vor heute nacht?«
    »Nichts, habe ich gesagt.« Er nahm einen Atemzug. »Ich bin
    gerade über die Brücke gekommen. Ungefähr vor einer halben Stunde.«
    »Wo hast du die Orchidee her?«
    »Huh?« Wieder erhob er die Hände. Die Laterne beleuchtete eine Klinge.
    »Dies hier?«
    »Yeah!«
    »Hat mir eine Frau gegeben. Als ich über die Brücke ging.«
    »Ich habe dich um die Ecke spähen sehen bei dem Tumult - ich konnte es von hier kaum sehen -, waren es Skorpione?«
    »Huh?«
    »Ich habe gesagt, waren es Skorpione?«
    »Es war ein Haufen Leute, der in einen Laden einbrechen wollte, glaube ich. Sie hatten einen Hund dabei.«
    Nach kurzer Stille kam rauhes Gelächter. »Du bist wirklich noch nicht lange hier, Kleiner?«
    »Ich -« ihm wurde bewußt, daß er sich wiederholte - »bin gerade angekommen.«
    »Willst du dich allein umsehen? Oder ein bißchen Gesellschaft haben?«
    Die Augen des Typen, dachte er, müssen schrecklich gut sein. »Gesellschaft . . . ich glaube schon.«
    »Ich bin gleich unten.«
    Er sah nicht, wie sich die Gestalt entfernte, es war zuviel Rauch davor. Und nachdem er mehrere Minuten lang mehrere Eingänge beobachtet hatte, dachte er, der Mann hätte es sich anders überlegt.
    »Nun komm!« Aus dem, den er sich als mögliche Deckung gemerkt hatte.
    »Heiße Loufer. Tak Loufer. Weißt du, was das heißt, Loufer? Roter Wolf oder Feuerwolf.«
    »Oder Eisenwolf.« Er kniff ein Auge zu. »Hallo.«
    »Eisenwolf? Nun, yeah . . .« Der Mann tauchte verschwommen auf der obersten Stufe auf. »Weiß nicht, ob ich das leiden kann. Roter Wolf. Das ist mir am liebsten.« Er war sehr groß.
    Er kam die nächsten beiden Stufen herab; seine Bauarbeiter-Stiefel, die auf den Kanten schlurften, hörten sich wie herunterfallende Sandsäcke an. Verknitterte schwarze Jeans waren halb in die Stiefelschäfte gestopft. Die abgetragene Radfahrerjacke war von Reißverschlußnarben durchzogen. Goldene Stoppeln auf Kinn und Wangen fingen sich im Straßenlicht. Brust und Bauch nackt zwischen klaffenden Reißverschlußzähnen, waren ein Netz metallenen Haars. Die Finger waren groß, behaart -
    »Wie heißt du?« -
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