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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren
Autoren: Samuel R Delany
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doch sauber mit reinlichen, gepflegten Nägeln.
    »Mmh . . . nun. Ich sag dir was: Ich weiß es nicht.« Es klang komisch, und er lachte. »Ich weiß es nicht.«
    Loufer hielt einen Schritt vor dem Gehsteig an und lachte ebenfalls. »Warum, verdammt, weißt du es nicht?« Der Schirm seiner Lederkappe überschattete den oberen Teil seines Gesichts.
    Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es einfach nicht. Ich habe . . . schon eine ganze Weile.«
    Loufer kam die letzte Stufe herunter auf das Pflaster. »Nun, Tak Loufer hat hier Leute mit komischeren Geschichten getroffen. Du bist ein bißchen verrückt, oder? Warst im Irrenhaus vielleicht?«
    »Ja . . .« Er sah, daß Loufer ein Nein erwartet hatte.
    Taks Kopf ruckte hoch. Der Schatten hob sich über breiten, negroiden Nasenflügeln. Sein Mund war definitiv der eines Weißen. Die Kiefer sahen aus wie Felsen in einem Heuhaufen.
    »Nur ein Jahr. Vor ungefähr sechs oder sieben Jahren.«
    Loufer zuckte die Achseln. Ich war drei Monate im Knast . . . vor ungefähr sechs oder sieben Jahren. Aber mehr verrate ich nicht. So bist du also der kleine Namenlose? Wie alt bist du, siebzehn, achtzehn? Nein, ich wette, du bist sogar -«
    »Siebenundzwanzig.«
    Taks Kopf zuckte in die andere Richtung. Licht lag auf seinen Wangenknochen. »Neurotische Erschöpfung. Mach' ich immer. Du kennst das von Leuten, die ernsthafte Depressionen haben, die, die den ganzen Tag schlafen. Gehören ins Krankenhaus, meine ich. Sehen immer zehn Jahre jünger aus, als sie sind.«
    Er nickte.
    »Ich werde dich Kid nennen. Das reicht als Name. Du kannst ja The Kid sein, hey?«
    Drei Geschenke, dachte er: Rüstung, Waffen, Titel (Wie die Prismen, Linsen, Spiegel an der Kette selbst). »Okay . . .« mit der plötzlichen Überzeugung, daß ihn das dritte wohl am meisten kosten würde. Irgend etwas warnte ihn: Weise ihn zurück: »Nur, ich bin kein Kleiner. Ehrlich, ich bin siebenundzwanzig. Die Leute glauben immer, daß ich jünger bin. Ich habe einfach ein Babygesicht, das ist alles. Ich hab' sogar weißes Haar, sieh mal -«
    »Sieh an, Kid.« Tak schob mit den mittleren Fingern den Schirm seiner Kappe hoch. »Wir sind gleich alt.« Seine Augen waren groß, tief und blau. Das Haar über den Ohren, nicht länger als der eine Woche alte Bart, ließ einen dichten Schopf unter der Kappe vermuten. »Irgendwas, was du besonders gern sehen möchtest? Irgendwas, was du gehört hast? Ich möchte Fremdenführer spielen. Was hört ihr draußen über uns eigentlich? Was sagen die Leute über uns hier in der Stadt?«
    »Nicht viel.«
    »Hab' ich mir gedacht.« Tak sah beiseite. »Bist du zufällig hier reingekommen oder aus irgendeinem Grund?« »Mit Grund.«
    »Gut, Kleiner! Wie ein Mann, mit Grund und Ziel. Komm hier hoch. Diese Straße mündet auf den Broadway, sobald sie vom Wasser wegführt.«
    »Was gibts da zu sehen?«
    Loufer grunzte, was ein Lachen sein sollte. »Kommt darauf an, was da ist.« Obwohl er fast einen kleinen Bauch hatte, waren die Gruben unter seinem Bauchhaar muskeltief. »Wenn wir richtig Glück haben, vielleicht -« das aschefarbene Leder glitt weg, als sich Loufer herumdrehte, blinkte über einem runden Metallknopf, der einen drei Zentimeter breiten Gürtel zusammenhielt -, »stoßen wir dann auf überhaupt nichts! Komm!« Sie gingen los.
    »Kleiner! The Kid . . .«
    »Huh?« fragte Loufer.
    »Ich denk' über den Namen nach.«
    »Reicht er aus?«
    »Ich weiß nicht.«
    Loufer lachte. »Ich lege keinen besonderen Wert drauf, Kleiner, aber ich glaube, er paßt.«
    Sein eigenes Kichern war teils ablehnend, teils freundlich.
    Loufers Antwortgrunzen entsprach dem freundlichen Ausdruck.
    Sie schritten unter niedrig hängenden Rauchschwaden dahin.
    Dieser Eisenwolf hat irgend etwas Feines, mit seinem Gesicht wie ein stupsnasiger germanischer Gorilla. Es ist weder seine Art zu sprechen, noch wie er sich benimmt. Das ist irgendwie grob, doch die Art, wie er damit umgeht, ist, als ob der Boden, aus dem seine Sprache und Haltung hervorgehen, irgendwie brennt.
    »Hey, Tak!«
    »Yeah?«
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Wenn du mir das Datum von heute sagst, kann ich es ausrechnen. Aber ich habe es vergessen. Eine ganze Weile schon.« Nach einem Moment fragte Loufer mit merkwürdiger, fast flehender Stimme: »Weißt du, was für ein Tag heute ist?«
    »Nein, ich. . .« Das Merkwürdige daran ängstigte ihn. »Weiß nicht.« Er schüttelte den Kopf, während seine Gedanken sich auf ein anderes Thema
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