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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm
Autoren: Iny Lorentz
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Elchberg erhalten, wenn ich mich dort als Magd verdinge, und dazu sogar noch Lohn für die Arbeit, die ich hier umsonst leisten soll.«
    »Du verstocktes Ding!« Jetzt vermochte Malwine sich nicht mehr zu beherrschen und schlug Lore ins Gesicht.
    »Schläge würde ich dort auch nicht erhalten«, setzte diese ungerührt hinzu.
    Voller Wut holte Malwine ein zweites Mal aus. »Du, du … Ich werde dich schon kleinkriegen, und wenn ich dich jeden Tag züchtigen muss!«
    Alle Anwesenden starrten wie gebannt auf die Gutsherrin und ihr Opfer. Daher entging ihnen der vornübergebeugt gehende Mann mit dem schmerzverzerrten Gesicht und dem Gewehr unter der Achsel, der draußen auf der Terrasse auftauchte. Erst als die Scheibe in der Tür unter dem Gewehrkolben klirrte und die Scherben zu Boden fielen, drehten sich die Leute erschrocken um.
    »Florin? Nein, das ist unmöglich!« Ottokar wurde weiß wie frisch gefallener Schnee und wich mit nach vorne gestreckten Armen zurück.
    Sein ehemaliger Kutscher griff durch die zerbrochene Scheibe nach innen, öffnete die Terrassentür und trat ein. Die Glasscherben knirschten unter seinen Sohlen, als er die Waffe auf seinen einstigen Herrn richtete.
    »Ich bin aus der Hölle zurückgekehrt, in die Sie mich schicken wollten, Herr von Trettin. Sie hätten besser nachsehen sollen, ob ich auch wirklich tot bin, als Sie auf mich geschossen haben. Haben Sie sich denn nicht gewundert, dass mein Leichnam nicht gefunden wurde? Das hätten Sie aber tun sollen! Jetzt bin ich hier im Namen der himmlischen Gerechtigkeit, um Sie für Ihre Untaten bezahlen zu lassen.« Florin trat noch einen Schritt auf Trettin zu und krümmte den Zeigefinger.
    »Mann, was soll der Irrsinn? Lege die Waffe nieder!«, schrie der Pastor, dem der Schreck in die Glieder gefahren war.
    Florin warf ihm nur einen kurzen Blick zu. »O nein! Beinahe hätte ich vergessen, zu sagen, weshalb ich diesen Mann richten werde. Er hat nicht nur mich umbringen wollen, sondern auch die Familie aus dem Lehrerhaus auf dem Gewissen. Ottokar von Trettin istnicht einfach an dem brennenden Haus vorbeigefahren, ohne die Bewohner zu warnen! Er hat mir befohlen, dort anzuhalten, damit er das Haus anzünden konnte. Ich habe ihm zugesehen und es nicht gewagt, Wolfhard von Trettins Tochter und deren Familie zu warnen oder gar meinem Herrn in den Arm zu fallen. Weil ich Zeuge dieser ruchlosen Tat war, wollte er mich schließlich umbringen. Gott der Herr hat mich jedoch gerettet. Aber bis gestern war mir nicht klar, weshalb ich noch lebe. Doch nun weiß ich, dass der Herrgott mich ausersehen hat, diesen Mann zu töten, bevor er auch noch die letzte Nachkommin meines alten Herrn umbringen kann. Und das würde er, denn er hasst die Familie, seit Lores Mutter einen braven Schullehrer ihm vorgezogen hat!«
    Die Stimme des Kutschers steigerte sich mit jedem Satz, den er herausschrie. Sein Blick flackerte und zeugte von beginnendem Irrsinn. Die Einzige, die ihn vielleicht noch hätte stoppen können, wäre Lore gewesen. Doch die war so erschüttert von den Anklagen, die Florin dem Gutsherrn an den Kopf warf, dass sie kein Wort hervorbrachte. Wie zur Salzsäule erstarrt, sah sie zu, wie der Kutscher den Lauf der Waffe noch ein wenig hob und feuerte.
    Die Wirkung des für die Elchjagd gedachten Geschosses war auf diese kurze Entfernung verheerend. Ottokar von Trettin wurde wie von einer Titanenfaust nach hinten geschleudert und blieb dann verkrümmt liegen. Auf seiner Brust war ein daumendickes, schwarzes Loch zu sehen, während sich unter ihm eine wachsende Blutlache bildete.
    Noch bevor jemand einen Ton herausbrachte, steckte Florin sich die Mündung der Doppelflinte in den Mund und drückte ein zweites Mal ab.
    Malwine stand mitten im Raum, das Gesicht zu einer Maske des Entsetzens verzerrt, und schrie, dass es Lore durch Mark und Bein ging. Der Pastor ging schließlich auf Ottokars Frau zu. Selbst bleich wie ein Leintuch und zitternd, versuchte er sie zu beruhigen.Unterdessen beugte sich der Gutsinspektor über die beiden am Boden liegenden Männer. Florin hatte die Kugel den halben Kopf weggerissen und Blut und Gehirn auf den umliegenden Möbeln verteilt. Auch bei Ottokar von Trettin schüttelte er den Kopf.
    »Die beiden sind mausetot. Da ist nichts mehr zu machen. Wir werden die Gendarmen holen müssen.«
    Malwine sah ihn mit trüben Augen an. »Nein, das tun wir nicht. Denkt nur an den Skandal, der dann über uns kommen würde.«
    Die anderen
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