Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dezembersturm

Titel: Dezembersturm
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
mir mit Hilfe deiner guten Freunde bereits alles außer dieser erbärmlichen Hütte hier weggenommen. Oder sind die Kerle zur Einsicht gekommen und haben dir Gut Trettin wieder abgesprochen?«
    »Das Gut gehört mir! Es war mein Recht, es dir abzufordern. Die Hausgesetze schreiben vor, dass Grundbesitz und Vermögen der Familie ungeschmälert als Majorat weitergegeben werden müssen. Statt dich danach zu richten, hast du alles verlottern lassen und damit mich, deinen Erben, um das bringen wollen, was mir von Rechts wegen zustand!« Ottokar von Trettins Stimme überschlug sich vor Erregung.
    Zwar hatte er seinen Onkel vor zwei Monaten durch einen Gerichtsbeschluss von Gut Trettin vertrieben und den Besitz selbst übernommen, doch für ihn galt es noch einige Dinge zu klären.
    Das Gesicht des alten Herrn verdüsterte sich, und er trat einenSchritt auf den Gewehrschrank zu, in dem die geladene Flinte steckte. Doch dann ließ er die ausgestreckte Hand wieder sinken. Ottokars Tod konnte an der Situation nichts mehr ändern. Nach dessen Ableben würde das Gut Trettin nicht an ihn zurückfallen, sondern an dessen Frau und die ungezogenen Bengel übergehen. Außerdem wollte er seinen Namen nicht durch den Skandal beschmutzen, von der Polizei verhaftet und nach Königsberg oder gar nach Berlin geschleppt zu werden.
    Da sein Onkel nicht antwortete, stieß Ottokar von Trettin seinen Stock auf den Boden. »Ich habe inzwischen die Bücher durchgesehen und entdeckt, dass deine Ausgaben in einem eklatanten Missverhältnis zu den eingetragenen Einnahmen stehen. Zudem ist das Gut massiv mit Hypotheken belastet. Es war tatsächlich höchste Zeit, dir die Verfügungsgewalt zu nehmen.«
    »Gestohlen hast du es mir! Es war mein Eigentum und hätte es bis zu meinem Tod bleiben müssen«, brüllte Wolfhard von Trettin und gab sich keine Mühe, seine Abscheu gegen diese vollgefressene Kröte zu verbergen, die er den Majoratsregeln zufolge als seinen Erben ertragen musste.
    Ottokar ballte die freie Hand zu Faust. »Ich glaube, du hast mich nicht verstanden, Onkel. Ich will wissen, wo das Geld hingekommen ist, das du eingenommen hast. Wenn Trettin richtig geführt wird, ist es eine Goldgrube!«
    Der alte Freiherr machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich war nie ein Bauer, der die Ähren auf seinem Feld zählt, so wie du es anscheinend machst, und da mir ein Sohn versagt geblieben ist, hatte ich keinen Grund, jeden Taler herumzudrehen.«
    Ottokar knirschte mit den Zähnen. »Du hast das Geld für deine Tochter und ihren lumpigen Ehemann beiseitegeschafft. Gib es doch zu! Doch es gehört zum Gut, und ich werde es mir zurückholen!«
    »Viel Glück«, spottete der Alte. »Aber du darfst es mir schonglauben: Ich habe stets auf großem Fuß gelebt und mir keinen Genuss versagt.«
    Das konnte Ottokar nicht abstreiten. Der exzentrische Lebenswandel seines Onkels war seit Jahren in aller Munde, und nicht wenige der heimischen Honoratioren hatten ihre Erleichterung geäußert, dass die Lotterwirtschaft auf Trettin endlich ein Ende nehmen würde. Aber trotz aller Kapriolen des alten Herrn hätte nach seinem Dafürhalten deutlich mehr Geld auf den Konten des Gutes vorhanden sein müssen.
    »Wenn das fehlende Geld nicht innerhalb dieses Monats an das Gut zurückfließt, werde ich dich verklagen, Onkel. Deine Tochter und ihre Bälger haben kein Anrecht darauf.«
    »Du hast es doch nur auf das Jagdhaus und das Stückchen Wald abgesehen, das ich noch besitze! Aber selbst mit Hilfe deiner guten Freunde vom Gericht wird es dir nicht gelingen, es mir abzunehmen. Diesen Besitz hat mir mein Schwiegervater vererbt, also zählt er nicht zum Majorat.«
    Obwohl er einen Stock in der Hand hielt, wich Ottokar von Trettin zurück, aus Angst, sein Onkel könne handgreiflich werden. Als dieser sich jedoch nicht rührte, schob er angriffslustig das Kinn nach vorne. »Du missverstehst mich absichtlich. Ich sprach nicht von dieser halbverfallenen Hütte und den paar Morgen Wald, die sich, mit Verlaub, in einem entsetzlichen Zustand befinden. Mir geht es um das Geld, das du heimlich beiseitegeschafft hast, um es deiner Tochter zuzustecken. Sie wird keinen Taler davon bekommen, das schwöre ich!«
    »Du bist ein Narr, Ottokar, genauso wie dein Vater einer war. Um Geld zur Seite legen zu können, habe ich viel zu flott gelebt.« Wolfhard von Trettin war ruhig geworden und lachte seinem Neffen nun ins Gesicht. Dieser mahlte mit den Kiefern wie eine wiederkäuende Kuh und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher