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Dezembergeheimnis

Dezembergeheimnis

Titel: Dezembergeheimnis
Autoren: Caroline Richter
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gesehen und Erdbeeren gegessen oder im Park gesessen. Ich weiß noch nicht mal, was im Endeffekt dein Lieblingsessen ist!«
    Die ersten Tränen rannen ihr aus den Augen. Sie beugte sich über ihn und strich ihm federleicht über das Gesicht, immer mit der Angst, wieder etwas von ihm abzubröseln.
    »Bitte«, hauchte sie. »Noel, ich liebe dich!«
    Irgendwie hatte sie erwartet, dass das die magischen Worte gewesen wären. Dass, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte, alles zu leuchten beginnen würde und ein letztes Wunder geschah und ihr Noel zurückgab. Aber alles, was rieselte, war Staub, und die einzige Hintergrundmusik war das Brummen der Kühlschränke und ihr eigener unsteter Atem. Noel bewegte sich nicht, seine ergrauten Augen starrten ohne jeglichen Glanz ins Nichts.
    »Noel«, wiederholte sie, dieses Mal lauter. »Noel, hörst du nicht? Du hast es geschafft! Ich bin in dich verliebt!«
    Ihre Stimme verklang nur in den Ohren zweier Menschen. Ihre Knie klappten unter ihr zusammen und sie sackte auf den Boden, konnte sich nur mit einer Hand gerade so am Tisch festhalten. Die Tränen kamen nun unaufhaltsam, doch sie kümmerte sich nicht mehr darum. Warum auch, was machte es schon für einen Unterschied? Sie kauerte sich zusammen und weinte. Heulte, lautstark, mit Schluchzern, die sich wie Schreie den Weg ihrer Kehlenach oben bahnten. Sie bekam kaum noch Luft, ihre Nase war verstopft, doch sie drückte die Augen immer fester zusammen, bis es hinter ihren Lidern in allen Farben blitzte.
Ein Traum, ein Traum   …
Das konnte keine Realität sein. Es
durfte
einfach nicht.
    Leas Atmung beruhigte sich erst, als der Schluckauf kam. Ihre Wangen trocknete er aber nicht. Sie hievte sich wenigstens so zurecht, dass sie an einem der Schränke lehnen konnte und nicht mehr wie zerlassene Butter auf dem Boden zerfloss.
    Frau Peters saß mit hängenden Schultern auf dem Hocker. Selbst sie schien gehofft zu haben, ein kleines bisschen wenigstens.
    »Was ist dein Wunsch gewesen?«, fragte sie leise.
    »Ich wollte mich verlieben«, murmelte Lea.
    Frau Peters nickte und atmete schwer aus. »
Das
hat er dir wohl erfüllt.«
    Lea konnte nichts sagen, sie spürte nur, wie die Tränen sich wieder in ihren Augen sammelten.
    »Aber er wollte doch mein Traummann werden«, würgte sie hervor. »Wie kann mein Traummann mich verlassen? Er hat meinen Wunsch überhaupt nicht erfüllt!«
    Wie ein kleiner Ball kauerte sie sich zusammen; die Knie angezogen, das Gesicht hinter den Armen versteckt, die Stimme kaum zu verstehen. Ein kleiner, bebender Ball.
    Frau Peters erhob sich mit einem Seufzen und strich ihr über den Kopf.
    »Er hat meinen Wunsch nicht erfüllt«, murmelte Lea nur wieder und wieder. »Hat er nicht, nein, hat er nicht.«
    Sie hörte, wie die Bäckerin durch den Raum ging und anfing, den Ofen auszuschalten und die Schüsseln ineinander zu stapeln. Lea fühlte sich schlecht, ihr nicht zu helfen, und gleichzeitig verfluchte sie Frau Peters, weil sie einfach weitermachte, als wäre jede Hoffnung zu spät. Als wäre der einzige nächst mögliche Schritt, Noels körperliche Reste in den Müll zu werfen und in ihre leere einsame Wohnung zurückzukehren. Und als wäre das alles nicht der Rede wert.
    Wie konnte sie davon so völlig unberührt sein? Sie hatte Noel immerhin gekannt, hatte mit ihm gearbeitet, wusste was für ein liebenswürdiges Wesen er war. Gewesen war. Immerhin verstand Lea nun, weshalb sie ihn so schnell eingestellt hatte.
    Frau Peters sagte für eine lange Zeit gar nichts, steckte ihr aber irgendwann ein paar Taschentücher zu, ehe sie sich in die Vorratskammer zurückzog. Lea sah ihr hinterher und traute für einen Moment ihren Ohren nicht: Durch die Tür hörte sie eindeutig leise Schluchzer. Also ging es doch nicht spurlos an ihr vorüber. Irgendwie beruhigte Lea das. Zu wissen, dass sie nicht alleine war, ließ einen Teil ihres Kummers verschwinden. Leider war immer noch viel zu viel übrig.
    Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sicher bald die anderen Mitarbeiter eintreffen würden. Frau Peters hatte sie nicht umsonst gebeten, ihr bei der
Beseitigung
zu helfen. Lea drehte den Kopf, bis sie Teile Noels über den Tischrand lugen sah   … Schnell drückte sie die Lider wieder fest zu.
Nein!
    Wie sollte sie das anstellen? Er war gerade erst gegangen, sollte sie ihn etwa direkt beerdigen? Was sollte sie überhaupt tun? Beim Gedanken daran wurde ihr schlecht. Sie konnte den Leichnam schlecht im Stück nach Hause
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