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Dexter

Dexter

Titel: Dexter
Autoren: Jeff Lindsay
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ich und reckte den Hals, um sie im Rückspiegel zu mustern. Sie presste die Hände an den Leib, und ihr Gesicht verriet nackte Panik. »Wir sind unterwegs zum Jackson, aber nur zur Kontrolle. Mach dir keine Gedanken, du bist okay.«
    »Samantha Aldovar?«
    »Äh«, erwiderte ich. »Sie hat es nicht geschafft.« Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Deborah lag auf dem Rücken und rieb sich den Bauch.
    »Wo ist Chutsky?«
    »Tja, äh, das weiß ich nicht«, gestand ich. »Ich meine, er ist okay, weißt du, nicht verletzt. Er hat gesagt: ›Sag Deborah, dass ich sie liebe‹, und dann ist er weggefahren, aber …« Ein großer Laster scherte vor mir ein, und ich musste ausweichen und hart bremsen.
    Als ich wieder in den Spiegel schaute, waren ihre Augen geschlossen.
    »Er ist weg. Er glaubt, er hätte mich im Stich gelassen, und deshalb gibt er sich jetzt edel und verlässt mich. Gerade, wenn ich ihn am dringendsten brauche.«
    Die Vorstellung, Chutsky überhaupt zu brauchen, geschweige denn »dringend«, schien mir ein wenig übertrieben, aber ich spielte mit.
    »Schwesterherz, alles wird gut«, sagte ich und suchte nach den richtigen Worten des Trostes. »Wir lassen dich im Jackson untersuchen, aber ich bin überzeugt, dass dir nichts fehlt und du morgen schon wieder zur Arbeit gehen kannst, und alles in Ordnung …«
    »Ich bin schwanger«, sagte sie, und dazu fiel mir dann wirklich nichts Passendes mehr ein.

[home]
    Epilog
    C hutsky war tatsächlich verschwunden – Deborah sollte recht behalten. Nach ein paar Wochen wurde eindeutig klar, dass er nicht zurückkehren würde und sie absolut nichts tun konnte, um ihn ausfindig zu machen. Selbstverständlich versuchte sie es mit der ganzen Zielstrebigkeit einer äußerst hartnäckigen Frau und guten Polizistin, doch Chutsky, der seine gesamte Laufbahn mit verdeckten Operationen verbracht hatte, war zu tief untergetaucht. Wir wussten nicht einmal, ob Chutsky sein richtiger Name war. Gut möglich, dass er sich nach einem der Spionage geweihten Leben selbst nicht daran erinnern konnte, und er verschwand so gründlich, als hätte er nie existiert.
    In der anderen Angelegenheit hatte Deborah sich ebenfalls nicht geirrt. Schon bald konnte alle Welt deutlich erkennen, dass ihre Hosen immer mehr spannten, und ihre normalerweise engsitzenden Blusen wurden von wild gemusterten Hängern abgelöst, die sie unter normalen Umständen niemals freiwillig getragen hätte, nicht einmal in der Ausnüchterungszelle. Deborah war schwanger, und sie war entschlossen, das Baby zu bekommen, ob mit Chutsky oder ohne.
    Zu Beginn machte ich mir Gedanken, ob ihr Status als unverheiratete Mutter ihrem Ruf bei der Polizei schaden würde; Polizisten sind normalerweise äußerst konservativ. Doch anscheinend hatte ich die neuesten konservativen Strömungen verpasst. Mittlerweile bedeuteten Familienwerte, dass es in Ordnung war, ein schwangerer Single zu sein, solange man diesen Zustand nicht abbrach, und Deborahs Ansehen bei der Polizei wuchs in gleichem Umfang wie ihr Bauch.
    Man hätte meinen können, ein schwangerer Detective erführe genug Wohlwollen, um jedermann von der Verruchtheit einer gewissen Person zu überzeugen, aber bei Bobby Acostas Kautionsverhandlung setzten seine Anwälte darauf, dass Joe vor kurzem seine Frau verloren hatte – Bobbys Stiefmutter, die ihn aufgezogen und ihm so viel bedeutet hatte, tragisch verschieden, wobei sie irgendwie zu erwähnen vergaßen, dass sie verstorben war, während sie gerade diverse Leute folterte und umbrachte, wie zum Beispiel meine kostbare Person. Der Richter setzte die Kaution auf fünfhunderttausend Dollar fest, eine Summe, die ein Acosta aus der Portokasse zahlte, und Bobby hüpfte fröhlich aus dem Gerichtssaal in die Arme seines liebenden Vaters, wie wir von Anfang an vermutet hatten.
    Deborah steckte es besser weg, als ich angenommen hatte. Zwar äußerte sie ein oder zwei schlimme Wörter, weil sie immerhin Deborah war, aber insgesamt beschränkte sie sich auf ein »Tja, Mist, dann kommt der kleine Scheißer davon« und blickte mich vielsagend an.
    »Nun ja«, erwiderte ich, und das war es dann so ziemlich. Bobby blieb bis zu seinem Prozess, der angesichts des Kalibers der Anwälte, die sein Vater beauftragt hatte, noch Jahre auf sich warten lassen konnte, auf freiem Fuß. Wenn Bobby dann endlich den Geschworenen vorgeführt wurde, wären so reizende Schlagzeilen wie »Kannibalen-Karneval« und »Buccaneer-Blutbad« längst
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