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Deutschland. Ein Wintermärchen

Titel: Deutschland. Ein Wintermärchen
Autoren: Heinrich Heine
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Clemens von Brentano:
Des Knaben Wunderhorn
, 1806/08) deutlich, zugleich aber auch sein ständig wachsender Abstand. Neben konventionell romantischen Liebesgedichten verwendet H. schon ironische Distanzierungen, häufig konzentriert in pointiert desillusionierenden Schlussversen. Trotz der einfachen Volksliedform entspringen Naturidylle, Liebesleiden und Todessehnsucht nicht einem unmittelbaren Gefühl, vielmehr verwendet er bewusst romantische Stilmittel, eingebettet in Reflexion und Sentimentalität. Die Welt ist auch für den jungen H. schon brüchig, aber mit seiner Form des »Weltschmerzes« kann er, im Unterschied etwa zu Franz Grillparzer oder Nikolaus Lenau, spielerisch umgehen.
    Nicht das weltberühmte
Buch der Lieder
, das immerhin schon zu H.s Lebzeiten dreizehn Auflagen erreichte, sondern seine
Reisebilder
(1826– 1831) begründeten seinen frühen literarischen Ruhm. Im Kontext eines allgemeinen Reisefiebers und der damit zusammenhängenden Modeliteratur als Unterhaltung, Belehrung und Gesellschaftskritik schuf H. eine neue Form der Reiseliteratur, die nicht nur bei den Jungdeutschen begeisterte Nachahmer fand. H. verbindet die politische Information und Kritik der Aufklärung mit der Empfindsamkeit und subjektiven Erlebnisweise Laurence Sternes und Jean Pauls sowie mit den romantischen »Wanderungen« zu einem neuen Genre des sich emanzipierenden bürgerlichen Individuums. Dabei ersetzte die europäische Emanzipation mit ihrer Radikalisierung von der Philistersatire in der
Harzreise
bis zur Adels- und Kleruskritik und Revolutionsbegeisterung in
Die Stadt Lucca
(1831) die Selbstbildung als zentrale Thematik und Absicht. Trotz der Ungebundenheit als Reisender, als freier Schriftsteller, als Intellektueller, besteht bei H. jedoch eine unlösbare Verbindung zu Deutschland als seiner Heimat. Vor allem in der
Harzreise
kontrastiert H. die »Banalität« der deutschen Realität mit der Natur, dem Volk mit seinen Märchen und dem Traum. Das veränderte thematische Interesse korrespondiert mit der Auflösung des traditionellen Gattungsgefüges, es entsteht eine »Antireiseliteratur«, gerichtet gegen das klassische Literaturideal: Lyrik steht neben Essayistik und Erzählung, Reflexionen neben Stimmungsbildern und autobiographischen Beobachtungen, an die Stelle einer linearen Komposition treten Brüche und Assoziationen. Die widersprüchliche Subjektivität des Ich-Erzählers, die Mischung verschiedener Sprachebenen, Konversationston neben scharfer Satire, eine spezifische Bildhaftigkeit (Reise-Bilder) und die vorherrschende Stilfigur der Antithese führen zu einer Poetik der Dissonanz, des Fragmentarismus und ansatzweise der Montage in der Art der literarischen Moderne.
    Nach der Julirevolution 1830 setzte H. diese neue Literaturkonzeption, die in die politischen Geschehnisse eingreifen und Stellungnahme beziehen soll, fort. In einer differenzierten und immer wieder modifizierten Auseinandersetzung mit Johann Wolfgang Goethe – H. betont den Indifferentismus, aber auch den Sensualismus des Weimarers – und in Abgrenzung zu Hegels Theorem vom »Ende der Kunst« spricht er vom »Ende der Kunstperiode« und dem Beginn einer neuen Kunst, »die sogar eine neue Technik hervorbringen muß«. »Bis dahin möge, mit Farben und Klängen, die selbsttrunkenste Subjektivität, die weltentzügelste Individualität, die gottfreie Persönlichkeit mit all ihrer Lebenslust sich geltend machen« (
Französische Maler
, 1834).
    H.s Emigration nach Frankreich im Mai 1831 bildet einen tiefen Einschnitt in sein Leben, insbesondere die Erfahrungen mit
     der Metropole Paris, in Fortsetzung seiner neuen Wahrnehmungsweise in London (
Englische Fragmente
, 1831), der Kontakt in Praxis und Theorie mit den Frühsozialisten und Kommunisten sowie seine Erfahrungen mit dem Widerspruch von politischer und sozialer Revolution. H. wurde insofern zu einem der wichtigsten Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland, als er für beide Literaturmärkte schrieb: die Deutschland-Schriften,
Die romantische Schule
(1836) und
Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland
(1835), zuerst in französischer Sprache, die Frankreich-Berichte,
Französische Zustände
(1833),
Französische Maler
(1834),
Über die französische Bühne
(1840) und
Pariser Berichte
(1840–44) für die
Augsburger Allgemeine Zeitung
in deutscher Sprache. Obwohl H. in das Pariser Leben weitgehend integriert war (er stand im Kontakt mit Giacomo Meyerbeer,
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