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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S.
Autoren: Mario Degas
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gekonnt herunter. »Ich kann viele Töchter entbehren,
solange der Preis stimmt.«
     Mit
einem blitzschnellen Ruck lenkte sie Jillian in meine Arme. Ich fing sie im
Affekt auf. Dabei berührte ich sommersprossige Haut. Gesicht und Körper waren
voll von den Perlen der Sonne – dem ihr angeborenen Gendefekt. Das Eisblau
ihrer Augen nahm mich gefangen. Ich konnte nicht verhindern, dass sich mein
Körper für einen flüchtigen Moment an ihren schmiegte. Dabei spürte ich ihr
Zittern.
     »Hab
keine Angst«, hauchte ich ihr ins Ohr.
     Ich
trat einen Schritt zurück. Sie tat dasselbe, nicht ohne ihre Blöße neuerdings
zu bedecken.
     »Der
Karpfen sollte jetzt ins Bett gehen«, spie Minaki leicht säuerlich hervor. In
derselben Sekunde war Jillian, einer Seraphim gleich, an mir vorbeigerannt und
durch die Tür ins Nebenzimmer verschwunden. Ich blickte ihrem Schweif
hinterher.
     »Sie
sind zuverlässig wie von ihnen verlangt, müssen von Zeit zu Zeit dennoch
gezähmt werden. Wissen Sie, was der Unterschied zwischen den Kindern und den
Erwachsenen in einem Dorf ist?« Ich verzog keine Miene. »Es ist die Zuwendung.
Die einen bekommen sie, wohingegen sie den anderen verwehrt bleibt.« Sie ging
zur Kommode, klaubte sich einen grünen Apfel vom Tablett und biss beherzt
hinein.
     Mit
dem Apfel in der Hand kam sie auf mich zu. Ich schmeckte ihren Atem. Er roch
süß.
     Sie
stand jetzt dicht vor mir. Es war die drückende Enge der Arrestzelle, die sich
meiner wiederholt bemächtigte.
     »Wir
zwingen der Zukunft nicht unsere Grenzen auf. Sie zwingt uns ihre auf. Ich
frage mich: Was würde Misses Kindred wohl sagen, wenn sie wüsste, dass Sie sich
so aufopferungsvoll um den Verbleib Ihrer kleinen Tochter kümmern!?«
     Ich
spürte den Tritt in die Magengrube. Meine Glieder verkrampften sich. Mel kam
und ging, ohne dass ich es verhindern konnte.
     »Hier
werden Sie sie nicht finden. Keine von beiden.« Sie umkreiste mich und trat an
die sich jetzt öffnende Tür. Ihr Diener wartete im Türrahmen auf sie.
     »Ich
hoffe, Sie haben einen langen Atem. Es wird die Gegenwart aufbrauchen, jedes
Kinderhaus der Stadt zu durchsuchen.«
     Mit
einer entschuldigenden Geste trat sie in den Flur. Sie sah mich noch einmal an:
»Wie gefällt Ihnen das: Shiru mono wa iwazu, iu mono wa shirazu – die Wissenden
reden nicht, die Redenden wissen nicht.«
     Die
Tür fiel ins Schloss. Und wieder war ich allein.

 
     
     
     
    Epilog
     
     
     Die
Zeit überholte mich. Das Alter quälte mich. Die Vergangenheit ruhte nicht.
Weitere neun Jahre zogen dahin und an mir vorbei. Die Last, die ich zu tragen
hatte, nahm zu. Schuld und Sühne wechselten sich im Einklang ab. Der Tag ging
in die Nacht über, die Nacht in den Tag.
     Neun
Jahre – was ist das schon!?
     Die
Welt um mich herum veränderte sich nicht. Ich schon. Meine Suche nach Zoë wurde
zu meiner Passion. Sie bestimmte mein Schicksal und leitete mich durch
Krankheit und Ohnmacht. Sie wurde mein Kompass, selbst, und vor allen Dingen,
in völliger Schwärze.
     Quentin
blieb ein Geist. Was er zu sagen hatte, hatte er gesagt. Nicht ich würde ihn
finden, sondern er mich. Ich glaubte, ich erkannte ihn, unter den Menschen,
denen ich begegnete. Doch ein Trugbild war alles, was sich mir zeigte.
     Der
Untergrund war mein neues Zuhause. Er bot mir Schutz, eine Zuflucht und ein
trautes Heim. Er machte aus mir, was ich abgestreift hatte: einen Nomaden. Ich
wurde ein Dieb und ein Fremder. Jemand ohne Existenz. Ich blieb mit der Luft
zum Atmen. Das Gehen fiel mir schwer.
     Meine
verlorene Liebe erinnerte mich daran aufzutauchen. Sie gab mir die Kraft, die
ich verschollen glaubte. Meine Suche war nicht vorbei, sie musste weitergehen.
     Und
sie war noch da. Es kam der Tag, als ich sie fand.
     
     Ein
Gefühl kochte in mir hoch. Die Ampel zeigte Rot, mein Verstand sagte Grün. Ich
hörte den Lärm nicht. Alles, was ich wahrnahm, waren ihre Schritte auf dem
Asphalt. Sie kamen näher, und näher, und näher. Meine Instinkte waren hellwach.
     Mel
stand neben mir. Aber es war nicht Mel. Regen und Schnee trübten meinen Blick.
Es war die junge Mel. Die achtzehnjährige Mel. Kurzes blondes Haar, blaue
Augen, eine Stupsnase. Die junge Zoë.
     Ihr
Profil schwelgte im Geschehen um uns herum. Für sie war ich unsichtbar. Ein
Gaffer, der die Schönheit besah. Etwas, was er nicht haben konnte, aber ihm
bereits gehörte. Ich existierte nicht in ihrer Welt.
     Ein
Vater würde seine Tochter umarmen, sie an
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