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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S.
Autoren: Mario Degas
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Unterschied?
     Ich
nahm an, ich wüsste es. Mein Verstand gehorchte einmal meinem Willen. Ich war
frei und handelte im eigenen Interesse, wollte die Welt nicht ändern, aber das
Leben, unser Leben. Jetzt spürte ich die kalte Hand auf meiner Schulter liegen.
Mit festem Druck quetschte sie die Entscheidung aus mir raus, ohne dass mein
altes Ich sie daran hindern konnte. 
     Mensch
oder Schöpfung? Mel wusste es; sie trug es neun Monate in sich.
     Beim
Zurücksetzen stieß ich mit dem Fuß gegen etwas am Boden. Es war eine Kugel, die
jetzt, Fahrt aufnehmend, durch das Zimmer rollte. Erst eine an der Wand
abgestellte Truhe brachte ihr den Stillstand. Ich folgte ihr die zehn Schritte.
     Von
Nahem erkannte man Iris und Pupille. Es war eines von Quentins Glasaugen. Er
musste es bei der Flucht verloren haben. Die andere Möglichkeit erschien mir
plausibler: Es war ein Ersatzauge für den Fall, dass das Original aussetzte.
     Was
mein Interesse weckte, war aber nicht das Glasauge, sondern vielmehr die davor
befindliche Truhe. Sie war mir bisher noch nicht aufgefallen. Selbst bei meinem
letzten Besuch musste ich sie übersehen haben. Der Deckel war aus
geschmirgeltem Glas, der Rest aus an den Seiten mattem Aluminium.
     Über
der Truhe hing ein Regal mit geschlossenen Einweggläsern. Ein Glas fehlte. Es
war heruntergestürzt und verteilte seinen Inhalt, einer Bestäubung gleich, auf
dem Deckel der Truhe.
     Der
Geruch kam wieder näher. Seine Erklärung lag im pulverigen Zustand: Kupfer. Ich
wusste, Quentin benutzte eine Menge chemischer Stoffe und Elemente für seine
wissenschaftlichen Forschungen. Es war seine Sache und ging mich nichts an.
Dennoch dachte ich an Zoë und daran, was davon bei ihr wohl Verwendung fand.
     Er
erzählte mir nie, wie es ihm gelang, das zeugungsfähige Präparat herzustellen.
Ich nahm ihm sein Geheimnis nicht, glaubte an den Erfolg und brauchte nur zu
vertrauen. Er nahm die Zügel in die Hand und stieg auf den imaginären Olymp.
     Neugierig
wischte ich das Kupfer vom Deckel. Es war teilweise eingetrocknet und klebte
hart am Glas. An den Stellen, wo sich das Pulver wegwischen ließ, erlaubte es
einen Blick in die Truhe.
     Ich
war auf alles gefasst, nur nicht auf das: Räuber lag im Inneren. Sein kleiner
Körper war wie in einem Sarg gebettet; die Truhe war sein Grab. Obwohl ich
wusste, dass es für ihn keine Zukunft mehr gab, öffnete ich die Truhe. Sie gab
leicht nach. Mit einem Klicken klappten die Seiten nach außen, wie der Kokon
einer Raupe, aus dem ein Schmetterling entsteigt.
     Räubers
Fell glänzte im Licht. Ich sah keine äußeren Verletzungen. Die Augen waren
geschlossen und auf seiner Nase bildete sich, wegen der sich jetzt an ihn
nagenden Luftfeuchtigkeit, ein Wassertropfen. Das Kältegemisch in der Truhe
hatte ihn bisher vor der Totenstarre verschont. Doch mit dem Öffnen setzte
augenblicklich der Umkehrprozess ein. Seine Muskulatur spannte sich unter der
Haut. Er wurde zäh und hart.
     Ich
war einmal dabei gewesen, als ein künstlicher Hund im Sterben lag. Sein Tod
bewirkte weder eine Veränderung der Körpertemperatur noch die Totenstarre.
Seine ihm implantierten Moleküle waren dazu biologisch außerstande. Er
übersprang die Übergangsphase und fiel unvermittelt in einen andauernden
Schlaf.
     Ich
legte meine flache Hand auf Räubers Seite; sie fühlte sich kühl an.
     Quentins
Botschaft – hier lag sie. Räuber hatte nichts Künstliches an sich. Er war ein
Hund aus Fleisch und Blut. Eines der seltenen, noch existierenden, echten
Exemplare.
     Es
traf mich unvorbereitet. Ich hatte es nicht bemerkt, war einer perfekten
Täuschung aufgeschmissen. Man füttert keine künstlichen Tiere , hallte es
in mir wider. Ich achtete nicht auf dieses Detail, damals, als es mir auf dem
Silbertablett serviert wurde. Es zeigte den Unterschied zwischen Schein und
Sein. 
     Räuber
war Quentins Schwäche, sein kleines Geheimnis. Ich verstand die Nachricht nicht
sofort. Doch meine grauen Zellen formten ein Gebilde. Die Wahrheit war ein
Privileg, welches Quentin mir erst an diesem Punkt vermitteln wollte. Es war
wie das Rätsel in der Dunkelheit. Es war die Offenheit eines genialen
Wissenschaftlers.
     Quentin
liebte Räuber. So wie Sean ihn lieben lernte. Er war die Familie, die Quentin
brauchte. Ich hatte Mel. Quentin hatte Räuber. Dass er echt war, sagte viel
über ihn aus. Es machte einen Menschen aus ihm, der in dieser Welt lange als
verschollen galt. Es gab mir unbewusst die
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