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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S.
Autoren: Mario Degas
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gleich aussahen. Ich rechnete mit
Kritzeleien und Wasserfarbe an den Wänden, sah aber weder das noch hörte ich Kinderlachen
und Laute des Spiels. Nur eine Uhr schlug entfernt zur vollen Stunde.
     Eine
Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Ein Augenpaar starrte mich an. Ich erkannte
einen Jungen mittleren Alters. Er erinnerte mich an Sean.
     Ehe
ich mich versah, waren wir auf der ersten Etage. Mein Wegweiser gab mir zu
verstehen, ich solle warten. Er verschwand lautlos in einem der Zimmer.
     Ich
drehte mich um nahm die Umgebung wahr, anfangs verschwommen. Einige Kinder
standen mitten im Flur, da wo gerade noch Leere vorherrschte. Sie trugen
allesamt nicht mehr als Unterwäsche. Sie waren neugierig, aber auch
verängstigt. Alle waren sie auf ihre Weise gezeichnet, ob durch den Verlust
oder die Schläge – es schien keinen Unterschied zu machen. Es waren Leid und
Tragik, was ich sah, auf spröden Lippen und hohlen Wangen.
     Die
Tür zu meiner Rechten schwang auf. Die Kinder zerstreuten sich in alle
Richtungen, liefen in die Zimmer oder den Flur entlang. Das Grummeln des
Japaners ließ mein Gehör vibrieren. Er bat mich mit unverändertem
Gesichtsausdruck herein, trat aber seinerseits heraus und schloss die Tür
hinter sich.
     Ich
sah sie erst nicht.
     Der
Raum war eine Zuflucht für unzählige Räucherstäbchen, japanischen Nippes und
europäischen Impressionismus.
Die Wände waren voll davon. Holzpuppen mit Schlitzen anstatt der Augen reihten
sich ein, neben Edgar Degas' Ballerinen und Claude Monets Sonnenaufgang. Es war
wie ein Kaleidoskop, durch welches man den Surrealismus wahrnahm. 
     Ein
Stöhnen ließ mich wieder klar sehen. Da war sie. Als wollte sie die großen
Künstler in den Schatten stellen, lag sie nur mit Haut und Haar bekleidet auf
dem Bett – nackt, wie Gott sie schuf. Ein junges Mädchen, noch mitten in der
Reife. Ich sah keinen Kratzer auf ihrer makellos blassen Haut, keine Anzeichen
von Gewalt in ihrem porzellangleichen Gesicht. Sie hatte sich in den weißen
Samt geschmiegt, ihre Schamhaftigkeit bedeckend.
     »Zoë?«,
brachte ich nur zögerlich und in einem untergrabenen Flüsterton hervor. Die
Augen, die mich musterten, waren jedoch weder die von Mel noch meine.
     Ich
bemerkte nicht, wie die Tür hinter mir leise aufschwang. Das Mädchen erhob sich
rasch vom Bett, verlor dabei Scham und Unschuld in einem Lidschlag.
     »Faszinierend,
nicht wahr?« Ein Tokio-Dialekt stach auf mich ein. Eine schöne Stimme, so rein
wie Seidenpapier. »Der schönste Koi im Teich.«
     Ich
wusste, wen ich vor mir hatte.
     Minaki
trug einen langen, roten Kimono. Essstäbchen hielten ihr dunkles Haar zu einem
Knoten zusammen.
     Sie
begutachtete mich wie eine Delikatesse, von oben bis unten, schlenderte dabei
elegant an mir vorbei.
     »Sie
lernt schnell, meine kleine Jillian.« Sie hob das Kinn des Mädchens mit einer
filigranen Bewegung der Hand hoch, sah danach mich interessiert an. »Das ist
ihr Name. Meinen kennen Sie ja bereits.« Ich hielt immer noch, vom Zeitpunkt
des Verlassens der Bar, die Visitenkarte in der Hand. »Wie ist der Ihre?«,
wollte sie wissen.
     »Sid«,
sagte ich, um mit dem formellen Teil zu beginnen.
     »Ein
kleiner Name für einen großen Mann. Sid ...« Sie ahmte die Puppen nach. Ihre
Augen waren nur noch schmale Schlitze. »... Kindred.«
     Ich
musste sie entgeistert angesehen haben, denn sofort sprach sie weiter: »Benoit
und seine kleinen Geheimnisse. Man sollte besser wissen, was man ihm
anvertraut.« Sie zeigte auf eine Kommode neben dem Fenster. Obst türmte sich
darauf empor. Ich sah Äpfel und Kiwis neben mir Unbekanntem. 
     »Möchten
Sie sich stärken, bevor Sie sich vergnügen? Sie können sich dabei alle Zeit
lassen – die Blüte verwelkt erst in einigen Jahren.«
     Jillian
warf einen schüchternen Blick auf ihre Besitzerin. Dabei zog sie die Arme
fester um ihren zerbrechlichen Körper.
     »Sie
wissen warum ich hier bin. Benoit muss es Ihnen gesagt haben.«
     Minaki
schürzte ihre Lippen: »In Japan haben wir ein Sprichwort. Es heißt: Wenn man in ein Dorf kommt, soll man
sich an das Dorf anpassen.«
     Eine
Pause entstand.
     »Waren
sie jemals in Japan?«, fragte Japans Erbe.
     »Nein,
Sie?« Ich hatte einen wunden Punkt getroffen. Es war die unausgesprochene
Wahrheit: Ihre Vergangenheit war Neu New York, genauso, wie es ihre Zukunft
sein würde. Japan war seit Langem nur noch ein Kapitel in einem vergilbten
Almanach.
     Minaki
schluckte ihren Frust
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