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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S.
Autoren: Mario Degas
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in meiner
Erinnerung klarer vor, mit mehr Konturen, statt der lauernden Schatten an jeder
Ecke. Meine Beine konnten mich nicht mehr halten, aber ich wusste, sie würden
mich tragen – zum letzten Tag meiner Freiheit, Mels Freiheit, Zoës Freiheit. An
den Ort, wo Hoffnung geschenkt und Hoffnung genommen wurde.
     Die
Straßen waren heillos überfüllt. Menschen aller Kulturen und Religionen
bevölkerten die Sektoren. Ich sah Junge und Alte, Starke und Schwache, Menschen
auf zwei Beinen und Menschen auf zwei Rädern. Über mir zogen Clouds ihre
Bahnen. Aufräumtrupps versuchten Straßen und Gehwege sauber zu halten.
     Der
Smog hing tief und stieg mir in die Nase. Ich suchte einen Ausweg, wusste aber,
dass es zum Scheitern verurteilt war – aus meinem Albtraum würde es keinen
Ausweg geben. Ich kämpfte mich durch die Menge, wollte weg vom Lärm und dem Gestank.
     Eine
Ewigkeit spazierte ich durch Neu New York. Ich erlebte unsere Zukunft in jeder
Gosse und in jedem Winkel. Das Geschwür hatte zu klaffen begonnen. Wir befanden
uns mitten im eitrigen Kern. Bald würde es zu bluten anfangen.
     Rion
tauchte in der Dunkelheit auf. Etwas, was sich nicht verändert hatte. Ich
wollte es nicht von Neuem erleben, wusste aber, dass ich nur dadurch lernen
konnte, die ganze Sache zu verarbeiten – für mich persönlich und für all die,
die nach mir kamen.
     Der
Aufstieg war mühsam, überall lag Müll herum, wie achtlos weggeworfen. Ich
musste über zerbrochene und heil gebliebene Flaschen treten. Sie breiteten sich
aus wie die Überreste eines freigelegten Fossils. Der lange Flur mit dem
zerbrochenen Geländer ließ mich stocken. Ich erwartete einen Polizisten, der
sich schmerzerfüllt am Boden krümmte. Was ich sah, war aber nur noch mehr Müll.
     Im
Zimmer nahm die Schwärze ihren weiteren Lauf. Die Stille war mein einziger
Vertrauter. Doch sie täuschte mich. Ich sah Mel auf dem Bett liegen. Die Flügel
ausgebreitet, die Lider geschlossen. Tränen liefen ihre Wangen hinab. Ich
merkte, es waren meine Tränen an meinen Wangen.
     Der
Spiegel stand noch immer an der Wand angelehnt. Doch ich hatte kein Spiegelbild
mehr; Scherben breiteten sich auf dem Boden aus und hatten es fortgeschafft.
Sie verspotteten meine Rückkehr an diesen Ort.
     Inmitten
des ganzen Chaos sah ich etwas Funkelndes. Ich schob eine Scherbe beiseite.
Darunter kam eine abgenutzte Dienstmarke zum Vorschein. Ein Mahnmal in einem
Meer aus Glas. Ich hob sie auf und besah sie mir genauer. Das Logo der Einheit,
ein hohes Gebäude mit einem Helm, war halb verdeckt, durch etwas, das aussah
wie dunkelblaue Farbe; dasselbe Blau, wie ich es vor einer Ewigkeit schon einmal
gesehen hatte. Unter dem ganzen Müll musste es noch mehr davon geben.
     Ich
wusste, der ehemalige Besitzer der Marke hatte bereits wieder eine Neue. Ich
hatte keinen Hass gegen die Person, der diese Marke gehörte. Es war nur das,
wofür sie stand, was mich innerlich zum Beben brachte. Doch dies war einmal
unser Zuhause. Ich wollte die Marke hier nicht haben, weshalb ich sie
einsteckte und mir schwor, sie bei passender Gelegenheit loszuwerden.
     Ich
folgte der Dunkelheit in den Hof. Hier hatte sich nichts verändert. Der Regen
hatte die stetige Zerstörung durch Vandalismus und Aufgabe ferngehalten. Die
Blutlache in der Mitte des Platzes war nur noch zu erahnen. Die Jahre hatten
das Rot in Schwarz getauft.
     Ich
lauschte auf Geräusche; Geräusche aus meiner Erinnerung. Ich bildete mir ein,
sie würden mir das zurückgeben, was ich verloren hatte. An ihrer statt war es
aber die Stille, die bedrohlich im Nebel mitschwang.
     Ich
griff in meine Tasche und zog die Vergissmeinnicht heraus. Ihre Blüten
leuchteten eine sanftmütige Pracht aus. Ich legte sie ab, gab ihnen damit ein
neues Beet, auf dem sie ruhen konnten.
     »Ich
werde unsere Göttin finden«, sprach ich zu meiner Mel. Ich erhielt keine
Antwort. Doch es war mehr, als ich für den Anfang erwartet hatte.
     Mit
einem nachdenklichen Gefühl ließ ich Rion hinter mir. Es sollte an mir
vorbeiziehen und das Böse auf dieser Welt mit sich nehmen. Ich wollte nicht
zurücksehen, nur noch vorwärts.
     Quentin
kam mir in den Sinn. Er hatte mir schon einmal geholfen. Er war die nächste Adresse
auf meiner Karte, der Turm auf dem Schachbrett. Ich war der Läufer.
     
     Zu
lange hatte mich die Stadt bereits. Ich war es müde, mich in ihren Fängen zu
bewegen. Vor mir lag jetzt die Natur, die mir vorkam wie das Paradies nach all
der Zeit und
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