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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal
Autoren: Allan Folsom
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und gab ihn ihm zurück. »Den brauchen Sie, wenn Sie sich im Hotel eintragen.«
    »Ich kann also gehen?«
    »Sie sind bestimmt erschöpft – aus Kummer und nach Ihrem Flug.«
    Pio lächelte freundlich. »Und nach dieser gänzlich unerwarteten Konfrontation mit der Polizei. Aus unserer Sicht vielleicht notwendig, aber nicht eben gastfreundlich. Ich möchte Ihnen erklären, was sich ereignet hat und was im Augenblick geschieht. In einem privaten Gespräch, Mr. Addison. Am Ende der Straße gibt es ein ruhiges kleines Restaurant. Essen Sie gern chinesisch?«
    Harry starrte ihn an. Guter Cop, böser Cop. Genau wie in Amerika.
    Und in diesem Fall spielte Pio den guten Cop, den Freund auf Harrys Seite. Deswegen hatte Roscani das Verhör begonnen. Trotzdem war klar, daß es noch keineswegs beendet war. Dies war ihre Methode, es fortzuführen. Mit anderen Worten: Er hatte keine andere Wahl.
    »Yeah«, antwortete er schließlich, »ich esse gern chinesisch.«

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    FRÖHLICHE WEIHNACHTEN von den Addisons!
    Harry sah noch immer die Fotoweihnachtskarte vor sich: im Hintergrund der geschmückte Baum, davor die Familie mit lächelnden Gesichtern, alle mit roten Santa-Claus-Zipfelmützen. Zu Hause hatte er in irgendeiner Schublade noch ein Exemplar liegen, dessen ursprünglich kräftige Farben zu Pastelltönen verblaßt waren. Damals waren sie zum letztenmal alle zusammen gewesen. Seine Eltern mußten Mitte Dreißig gewesen sein. Er war elf, Danny acht und Madeline sechs. Sie war am ersten Januar sechs geworden und zwei Wochen später gestorben.
    Der Sonntag nachmittag war sonnig, klar und sehr kalt gewesen.
    Danny, Madeline und er hatten auf einem zugefrorenen Teich in der Nähe ihres Hauses gespielt. Einige ältere Jungen spielten Eishockey.
    Auf der Jagd nach dem Puck kamen mehrere von ihnen auf sie zuge-fahren.
    Harry glaubte noch immer, den scharfen Knall des zerspringenden Eises zu hören, laut wie ein Pistolenschuß. Er sah die Eishockeyspieler scharf abbremsen, und dann öffnete sich die Eisfläche genau dort, wo Madeline stand. Sie gab keinen Laut von sich, sie ging einfach unter. Harry schrie Danny zu, er solle Hilfe holen, streifte Jacke und Stiefel ab und sprang hinter ihr her. Aber er sah nichts als eisige Schwärze.
    Es war schon fast dunkel, als die Feuerwehrtaucher sie herauf-brachten, nur jenseits der kahlen Bäume hinter ihnen stand noch ein Streifen Abendrot.
    Harry und Danny und ihre Eltern standen mit einem Priester wartend im Schnee, als die Männer über das Eis auf sie zukamen. Der Feuerwehrkommandant, ein großer Mann mit einem Schnurrbart, hatte die Leiche von den Tauchern in Empfang genommen und trug sie jetzt in eine Wolldecke gehüllt in den Armen, während er die kleine Prozession anführte.
    Am anderen Ufer beobachteten die Hockeyspieler, ihre Eltern und Geschwister, Nachbarn und Fremde das Geschehen aus sicherer Entfernung, bedrückt schweigend.

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    Harry machte einen Schritt nach vorn, aber sein Vater packte ihn an den Schultern und hielt ihn energisch zurück. Als der Feuerwehrkommandant das Ufer erreichte, blieb er stehen, und der Priester sprach ein Totengebet, ohne die Wolldecke auseinanderzuschlagen.
    Als er fertig war, ging der Kommandant, von den Tauchern begleitet, die noch immer ihre Anzüge mit den Flaschen auf dem Rücken trugen, zu dem bereitstehenden weißen Krankenwagen. Madeline wurde hineingelegt, die Türen wurden geschlossen, und der Krankenwagen fuhr in die Dunkelheit davon.
    Harry starrte den roten Schlußlichtern nach, bis sie verschwanden.
    Schließlich drehte er sich um. Dort stand Danny, acht Jahre alt und vor Kälte zitternd, und sah ihn an.
    »Madeline ist tot«, sagte er, als versuche er, das zu verstehen.
    »Ja«, flüsterte Harry.
    Das war am Sonntag, dem fünfzehnten Januar neunzehnhundert-dreiundsiebzig. Sie waren in Bath, Maine.
    Pio hatte recht: Das Ristorante Cinese Yu Yuan in der Via delle Quat-tro Fontane war wirklich ein ruhiges Lokal am Ende einer Straße.
    Zumindest war es dort ruhig, wo Harry und er saßen: an einem glänzenden Lacktisch ziemlich weit von der mit roten Laternen geschmückten Eingangstür und den eiligen Mittagsgästen entfernt. Auf dem Tisch standen eine Kanne Tee und eine große Flasche Mineralwasser.
    »Sie wissen, was Semtex ist, Mr. Addison?«
    »Plastiksprengstoff.«
    »Zyklotrimethylen, Pentaärythritoteltetronitrat und Kunststoff. Bei der Detonation hinterläßt er charakteristische Nitratrückstände und Kunststoffspuren.
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