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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant
Autoren: Robert Louis Stevenson
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unter lautem Fluchen schlug er mit der Faust auf den Tisch.
    Der Diktator schien ihn in väterlicher Weise beruhigen zu wollen und geleitete ihn bald darauf zur Gartentür. Die Brüder drückten sich anscheinend herzlich die Hände, aber kaum hatte sich die Tür hinter seinem Besucher geschlossen, so brach John Vandeleur in ein unmäßiges Gelächter aus, das in Franz Scrymgeours Ohren einen unfreundlichen, ja teuflischen Klang hatte.
    So ging ein weiterer Tag vorüber, und die Ausbeute war nur gering. Aber der junge Mann erinnerte sich, daß der nächste Tag der Dienstag war, von dem er sich wichtigere Enthüllungen versprach; vielleicht, wenn's Glück gut war, gelang es ihm dann,dem Geheimnis, das seinen Vater und seine Familie umschwebte, auf den Grund zu kommen.
    Als die Stunde des mit dem anscheinenden Geistlichen auf Dienstag verabredeten Mahles näherrückte, waren viele Vorbereitungen im Garten des geheimnisvollen Hauses bemerkbar. Der Tisch, den Franz durch die Kastanienblätter teilweise sehen konnte, sollte als Serviertisch dienen und war mit Tellern, Schüsseln und dergleichen besetzt. Der andere, fast ganz verborgene, war offenbar für die Speisenden bestimmt, und Franz sah den Schimmer vom weißen Tischtuch und dem silbernen Tafelgerät.
    Herr Rolles stellte sich pünktlich auf die Minute ein; er machte den Eindruck eines Mannes, der auf seiner Hut ist, und sprach wenig und in leisem Tone. Der Diktator schien dagegen besonders wohlgelaunt zu sein. Sein frisch und angenehm klingendes Lachen tönte häufig zu dem Lauscher hinauf; aus den wechselvollen Klängen seiner Stimme konnte man entnehmen, daß er manchen Spaß erzählte und die Sprechweisen verschiedener Völker nachmachte, und ehe er und der junge Geistliche ihr Glas Wermut ausgetrunken hatten, schien aus der Brust des letzteren jedes Gefühl des Mißtrauens verschwunden, und sie schwatzten zusammen wie ein Paar Schulkameraden.
    Schließlich erschien Fräulein Vandeleur mit einer Suppenterrine. Herr Rolles beeilte sich, ihr behilflich zu sein; sie aber lehnte lachend seinen Beistand ab. Die drei tauschten darauf allerhand scherzhafte Bemerkungen aus, die sich auf den Umstand zubeziehen schienen, daß sie sich selbst zu bedienen hatten.
    »Es ist so viel gemütlicher,« erklärte Herr Vandeleur.
    Im nächsten Augenblick waren alle drei an ihren Plätzen, und Franz konnte ebensowenig sehen, als er zu hören vermochte, was weiter vor sich ging. Doch schien es beim Mahle heiter zuzugehen, da beständig fröhliche Stimmen und der Klang von Messern und Gabeln hörbar waren; Franz, der nur an einer Semmel zu knabbern hatte, konnte nicht ohne Neid an die lange, üppige Schmauserei denken. Eine Schüssel nach der andern wurde aufgetragen, und dann kam noch ein erlesener Nachtisch, bei dem der Diktator mit eigener Hand eine Flasche alten Wein entkorkte. Als die Dunkelheit hereinbrach, wurde eine Lampe auf den Speisetisch gestellt und ein paar Kerzen auf den andern, denn der Abend war völlig heiter und sternhell und die Luft unbewegt. Auch von der Tür und den Fenstern der Veranda strömte Licht in den Garten, so daß dieser feenhaft beleuchtet war und die dunklen Blätter schimmerten.
    Fräulein Vandeleur ging vielleicht zum zehntenmal ins Haus und kehrte diesmal mit dem Kaffeegeschirr zurück, das sie auf den Nebentisch setzte. Zugleich erhob sich ihr Vater von seinem Sitz.
    »Der Kaffee ist mein Gebiet,« hörte ihn Franz sagen.
    Und im nächsten Augenblick sah er seinen vermeintlichen Vater beim Scheine der Kerzen am Nebentisch stehen.
    Indem er sich dabei fortwährend an der Unterhaltung beteiligte, füllte Herr Vandeleur zwei Tassen mit dem belebenden braunen Safte, und dann goß er mit der schnellen Bewegung eines Taschenspielers den Inhalt eines kleinen Fläschchens in die kleinere Tasse. Dies führte er mit solcher Geschwindigkeit aus, daß selbst Franz, der ihm gerade ins Gesicht schauen konnte, der Bewegung erst inneward, als sie schon geschehen war. Und im nächsten Augenblick hatte sich Herr Vandeleur, noch lachend, mit einer Tasse in jeder Hand umgedreht.
    »Ehe wir hiermit fertig sind,« sagte er, »können wir unsern berühmten Hebräer erwarten.«
    Es wäre unmöglich, Franzens Verwirrung und Herzeleid zu beschreiben. Er sah, wie sich vor seinen Augen ein Verbrechen abspielte, und fühlte sich gedrungen dazwischenzutreten, wußte aber nicht, wie. Es konnte sich nur um einen Scherz handeln, und wie würde es dann aussehen, wenn er als
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