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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg
Autoren: Kai Meyer
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Eisen, schnitt durch Haut und Knochen. Kreischend fiel der Nordling vornüber, warf mit seinem Gewicht Kjartan nach hinten und riss ihn mit sich die Treppe hinunter. Polternd verschwanden die beiden in der Tiefe.
    Grimma schaute sich besorgt um. Die vier übrigen Zwergenkrieger hatten sich geteilt und kämpften nun jeweils zu zweit mit einem der beiden Nordlinge. Egil und Odd hieben gemeinsam mit Äxten auf ihren Gegner ein, der jedoch beider Angriffe mühelos abwehrte. Der Nordling überragte sie fast um das Doppelte, und Grimma sah, dass er derjenige war, der aus einer tiefen Wunde am Oberschenkel Blut verlor. Der Schmerz behinderte ihn nicht; der Nordling schien die Verletzung nicht einmal zu spüren, und das war kein gutes Zeichen. Offenbar stand er kurz davor, in Raserei zu verfallen. Grimma hatte in den vergangenen Wochen mehrfach mit angesehen, wie einige der Feinde vom Berserkerwahn überkommen worden waren, und bei aller Tapferkeit hatte sie ihren Göttern gedankt, in diesen Augenblicken nicht in der Reichweite der tobenden Nordlinge zu stehen.
    Mit einem hohen Kriegsschrei stürzte sie sich in den Kampf, gerade als der Nordling Odd mit einem machtvollen Schlag den bärtigen Schädel von den Schultern trennen wollte. Grimma stieß den Zwergenkrieger beiseite und rettete ihm so das Leben, hätte aber ihr eigenes verloren, wenn nicht Egil den Hieb des Nordlings im letzten Moment mit seiner Axt blockiert hätte. Die Wucht des Schlages fegte Egil von den Beinen und warf ihn mehrere Treppenstufen nach unten. Der Nordling ließ sein Schwert ein weiteres Mal rotieren, verfehlte Grimma um Haaresbreite und traf stattdessen Odd, der sich gerade wieder aufrichten wollte. Die Klinge drang in seine Seite, tötete ihn innerhalb eines Wimpernschlages – und blieb in der stählernen Brust- und Rückenpanzerung des Zwerges stecken. Der Nordling zog und zerrte daran. Grimma holte aus und hieb ihm ihre Axt bis zum Schaft in den Unterleib. Der Krieger sackte ohne einen Laut zusammen, sein Blut mischte sich mit dem Odds und sprudelte durch die Wasserrinne hinab in die Tiefen des Berges.
    Als Grimma benommen ihre Waffe aus der Leiche löste, taumelte Egil bereits an ihr vorbei, um den beiden anderen Zwergen, Gellir und Bollis, im Kampf gegen den letzten Nordling beizustehen. Grimma folgte ihm, und es dauerte nur wenige Augenblicke, da lag ihr Gegner tot auf den Stufen.
    »Wir müssen sehen, was aus Kjartan geworden ist«, rief sie außer Atem, und schon stürmte sie mit Egil und Gellir die Treppe hinunter, während Bollis noch einen Moment zurückblieb, um die Hörner der Nordlinge abzutrennen.
    Viele hundert Stufen tiefer kam ihnen Kjartan entgegen, auf seine Axt gestützt wie auf eine Krücke, und die Wunde in seiner Brust verriet ihnen, dass er sterben würde. Er konnte nicht einmal mehr sprechen vor Schmerz und Erschöpfung. Als er in Grimmas Armen zusammenbrach, drang nur noch ein tonloses Murmeln über seine Lippen. Sanft legte sie ihn auf einer Stufe ab und schloss seine Augen, faltete seine Hände über der Brustwunde und legte die blutige Axt obenauf.
    »Er hat gewusst, dass er sterben würde«, sagte sie leise, »und dennoch wollte er noch die Treppe hinaufsteigen und uns beistehen.«
    Egil und Gellir nahmen ihre Helme ab, um dem toten Gefährten Achtung zu zollen, ebenso Bollis, als er wenig später hinzukam. Grimma sandte ein Gebet an die Götter, in das sie auch den gefallenen Odd einschloss, dann ließen sie Kjartan zurück und machten sich schweigend auf den Weg in die Minen. Unterwegs, am Fuß der Treppe, fanden sie den Leichnam des dritten Nordlings, den Schädel von Kjartans Axt zertrümmert, und diesmal musste Bollis die beiden Hörner nur noch vom Boden aufsammeln.
    Als sie nach langem Abstieg endlich auf die feiernde Zwergenarmee stießen, war ihnen nicht nach Gesang und Bier zu Mute. Bollis reichte Grimma die sechs Hörner der Nordlinge, und sie wiederum brachte sie zu Thorhâl, dem König der Zwerge vom Hohlen Berg.
    Thorhâl war hochgewachsen für einen Mann seines Volkes, fast so groß wie ein kleiner Mensch, und sein brauner, hüftlanger Bart war von Silberfäden durchzogen wie die Wand eines Bergwerkstollens. Seine grauen Augen blitzten weise und wach. Nicht einmal das Bier, das er zur Feier des Sieges krügeweise trank, vermochte einen Schleier von Trunkenheit über seinen klaren Blick zu legen. Er nahm die Hörner mit ehrfurchtsvoller Geste entgegen, schob sie wie Dolche unter seinen Gürtel, drei an
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