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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel
Autoren: Anita Augustin
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habe ich gesagt und mir eine Zigarette angezündet. Aber ohne Garantie. Das habe ich auch noch gesagt: Null Garantie dafür, dass es klappt, vielleicht will dieser Doktor Klupp ja gar nichts wissen von meinem Leben, egal, wie verkackt es war.
    Â»Will er sicher«, hat Marlen gesagt. »Gehört nämlich zum Berufsprofil bei einem Gerichtspsychiater, dass er in die Scheiße greift.«
    Â»Wäh!«, hat Suzanna gekichert, und Karlotta hat mir ihre kleine Pfote auf die Schulter gelegt. Inniger Druck, tiefer Blick. »Du schaffst das, Almut«, hat sie gesagt. »Du bist die Beste. Unsere Frau an der Front. Wir werden an dich denken, wenn du morgen zu diesem kleinen Klugscheißer gehst. Unsere Kraft wird mit dir sein.«
    Dann hat sie ihre Pfote von meiner Schulter genommen und das Zeichen gemacht. Macht sie immer, das Zeichen, wenn ihrer Meinung nach irgendeine Art von Krieg beginnt. Mittelfinger, Zeigefinger, eingedrehter Daumen. V wie Victory.

2
    Ein Raum ohne Fenster. Kahle Wände, ein Tisch, zwei Stühle. Muffige Luft, wahrscheinlich ist die Lüftung kaputt.
    Erste Sitzung.
    Â»Frau Block, ich werde Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen, und ich bitte Sie, mit Ja oder Nein zu antworten. Sind Sie bereit?«
    Â»Ja.«
    Â»Fühlen Sie sich überwiegend gut?«
    Â»Nein.«
    Â»Fühlen Sie sich voller Energie?«
    Â»Nein.«
    Â»Sind Sie meistens guter Stimmung?«
    Â»Nein.«
    Â»Sind Sie mit Ihrem Leben grundsätzlich zufrieden?«
    Â»Nein.«
    Â»Denken Sie manchmal an …«
    Â»Um Himmels willen, jetzt fragen Sie mich schon direkt, was Sie wissen wollen. Das ist ja hier wie bei diesen Tests in irgendwelchen Frauenzeitschriften von wegen Welcher Typ bin ich? . Eher der Herbsttyp oder eher der Sommertyp? Also, Herr Doktor: Wenn Sie wissen wollen, ob ich depressiv bin, dann fragen Sie mich doch einfach direkt, und ich werde Ihnen eine direkte Antwort geben. Und weil wir schon dabei sind: Ja, ich bin depressiv. Nicht immer, aber grundsätzlich. Eher der Wintertyp, wenn man so will. Kann ich jetzt gehen?«
    Zweite Sitzung.
    Â»Frau Block, ich habe mir den Biographiebogen kommen lassen, der bei Ihrem Einzug in das Seniorenwohnheim ausgefüllt wurde. Unter Schlafgewohnheiten haben Sie ›normal‹ angegeben. Ich möchte Ihnen trotzdem ein paar Fragen zu Ihren Schlafgewohnheiten stellen. Bitte beantworten Sie die Fragen mit Ja oder Nein. Sind Sie bereit?«
    Â»Ja.«
    Â»Haben Sie Einschlafstörungen?«
    Â»Nein.«
    Â»Haben Sie Durchschlafstörungen?«
    Â»Nein.«
    Â»Haben Sie das Gefühl, zu wenig zu schlafen?«
    Â»Nein.«
    Â»Haben Sie das Gefühl, zu viel zu schlafen?«
    Â»Nein.«
    Â»Schlafen Sie unruhig?«
    Â»Nein.«
    Â»Träumen Sie viel?«
    Â»Nein.«
    Â»Sagen Sie die Wahrheit?«
    Â»Nein. Kann ich jetzt gehen?«
    Dritte Sitzung.
    Â»Frau Block, ich habe nicht den Eindruck, dass Sie besonders kooperativ sind, deswegen schlage ich vor, wir machen noch einen letzten Test und schließen die Befragung dann ab. Ich sage Ihnen ganz offen: Es ist ein Demenztest. Demenzielle Erkrankungen sind laut Strafrecht ein Argument für Schuldunfähigkeit. Wir wissen beide, dass Sie geistig vital sind, also bitte versuchen Sie nicht, mir etwas vorzuspielen. Der Test ist reine Routine, ich muss ihn machen, also lassen Sie uns das zügig erledigen, und dann können Sie gehen. Sind Sie bereit?«
    Â»Ja.«
    Oh ja!
    Ich kann gehen, hat er gesagt. Nur noch ein Test, und ich kann gehen, zurück in die Zelle, zurück zu den anderen. Sie werden mich fragend ansehen, wie nach jeder Sitzung, und ich werde sagen: »Voll zurechnungsfähig, Leute. Ab in die Ferien!«
    Â» Nicht witzig«, wird Suzanna sagen, und dass sie sehr traurig ist, weil wir jetzt zehn Jahre lang Kekse backen müssen. Marlen wird säuerlich anmerken, dass von einem Staubsaugerbeutel wie mir nichts anderes zu erwarten war. Wie Karlotta reagiert, will ich gar nicht wissen. Ich werde es erleben, und es wird kein schönes Erlebnis sein, aber das ist mir egal.
    Â»Welche Jahreszeit haben wir gerade, Frau Block?«
    Â»Sommer.«
    Â»Welchen Monat?«
    Â»August.«
    Â»Wo sind wir hier?«
    Â»Im Gefängnis.«
    Doktor Klupp macht sich eine Notiz.
    Â»Und wo genau im Gefängnis?«
    Ich überlege. Von der Zelle in den Gesprächsraum gehen wir immer fünf Stockwerke nach unten, die
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