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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel
Autoren: Anita Augustin
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jetzt schon. Keine schwere Körperverletzung, keine Untersuchungshaft. Und das heißt: kein Gerichtspsychiater. Welche Fokusgruppe leiten Sie, Herr Doktor? Die für Alterspsychosen nehme ich an. Halluzinatorische Wahnerkrankungen und so, dann bin ich ja mit dem Professor in einer Gruppe, oder?«
    Doktor Klupp nickt.
    Â»Wo ist er denn abgeblieben damals, der Professor?«
    Â»Wir haben ihn am Tag vor der Pressekonferenz weggebracht. Die Sache mit dem Gerontozid war uns zu heikel. Der Professor ist wirklich Spezialist auf diesem Gebiet, und wir wollten das Risiko nicht eingehen, dass er sich bei der Pressekonferenz in irgendeiner Weise … nun ja: kritisch äußert. Er war der Einzige, von dem wir etwas in der Art befürchtet hatten, schließlich ist er Wissenschaftler, daran ändert auch die Psychose nichts.«
    Â»Verstehe. Aber jetzt ist er wieder hier in der R ESI … im L ABOR , oder?«
    Doktor Klupp nickt.
    Â»Und was ist mit mir? Nehme an, die charmanten Gespräche, die wir in den letzten Wochen geführt haben hier im Raucherzi… im Untersuchungsraum waren nichts anderes als die Voruntersuchung, von der bei der Pressekonferenz die Rede war. Probandentauglichkeit und so. Also: Was ist mit mir? Bin ich tauglich oder nicht, Herr Doktor?«
    Doktor Klupp seufzt. Er nimmt die Brille ab und massiert seine Augen, er setzt die Brille wieder auf, er sieht mich an.
    Â»Sie waren tauglich, Frau Block. Sehr sogar. Schwere schizophrene Störung als Spätfolge einer posttraumatischen Belastungsstörung, aber das wissen Sie ja selbst mittlerweile, und genau das ist das Problem.«
    Er seufzt wieder.
    Â»Die Sache mit Ihnen, Frau Block, die ist mir … nun ja … aus dem Ruder gelaufen. Der Arzt in mir hat den Forscher in mir … wie soll ich sagen …«
    Â»Ausgetrickst?«, sage ich.
    Er nickt.
    Â»Klingt schizo«, sage ich.
    Er lächelt, aber es sieht ein bisschen verzweifelt aus.
    Â»Sie waren die perfekte Probandin für ein Präparat, von dem wir vermuten, dass es ein sehr effizientes Psychopharmakon sein könnte, wenn es einmal ausgereift ist. Wir wissen noch nicht viel darüber, aber es ist äußerst vielversprechend. Jetzt sind Sie als Probandin nicht mehr geeignet, weil ich … nun ja …«
    Â»Sie haben’s verschissen, Herr Doktor, ganz einfach. Sie haben mich geheilt.«
    Verzweifeltes Lächeln.
    Â»Und wie wollen Sie das Ihrer graublauen Chefin mit den blutroten Nägeln erklären? Oder soll ich zu ihr gehen und sagen: Mein Name ist Almut Block, ich war die perfekte Probandin, aber jemand aus Ihrem Team hat’s verschissen. Ein junger Mann, er könnte mein Enkel sein, er hat eine steile Karriere vor sich.
    Korrektur: hatte.
    Jetzt nicht mehr, weil er die perfekte Probandin für ein äußerst vielversprechendes Präparat gegen das Plemplemwerden im Alter durch Gespräche geheilt hat, statt sie mit dem Zeug vollzupumpen. Der junge Mann heißt übrigens Norbert Klupp, und ich, Almut Block, gehe jetzt nach Hause. Ich weiß zwar nicht, wo das sein soll, aber ich gehe trotzdem dorthin.
    Ins Bett.
    Schlafen.
    Ich bin nämlich geheilt.
    Soll ich das machen, Herr Doktor?«
    Aschfahles Gesicht, er sieht mich flehend an.
    Â»Wir könnten das doch irgendwie anders regeln, Frau Block. Ich bringe Sie weg von hier, irgendwohin, wo Sie fürs Erste in Sicherheit sind, und für Ihr Verschwinden finde ich schon irgendeine Erklärung, aber ich bitte Sie inständig …«
    Â»Vergessen Sie’s«, sage ich und mache eine Bewegung mit der Hand, als würde ich Dreck abstreifen. »Der Spaß ist vorbei. Wird es wehtun?«
    Â»Wie?«
    Â»Ob es wehtun wird. Das Präparat. Die Tests. Ich habe kein Zuhause außerhalb vom L ABOR , Herr Doktor. Ich habe nichts und niemanden. Keine Freunde, keinen Hund, nicht einmal einen neuseeländischen Farn, also was soll ich da draußen? Ich bleibe hier. Im L ABOR . Ich werde niemandem etwas sagen und weiter einen auf plemplem machen. Stumm die Lippen bewegen, mit toten Leuten reden, das volle Programm. Und ab und zu, wenn wir zwei allein sind, dann reden wir miteinander. Sie und ich. Über dies und das, ganz normal, ich mache ein paar schlechte Witze, und Sie lachen darüber oder tun zumindest so, einverstanden?«
    Doktor Klupp starrt mich an. Dann kehrt ein Hauch von Farbe zurück in sein Gesicht.
    Â»Danke«, sagt er
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