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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel
Autoren: Anita Augustin
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dass der Heimleiter der Heimleiter ist und in seiner Funktion als Heimleiter das Heim nun schon seit zwei Jahren vorbildlich leitet. Dass er es vorbildlich restrukturiert hat, zum Beispiel durch Personaleinsparungen ohne Qualitätsverlust.
    Der Heimleiter, sagt die Ministerin, hat sich bereits mehrmals durch tatkräftige Unterstützung wichtiger Projekte hervorgetan, zum Beispiel durch seine Anwesenheit bei der Benefizgala »Alzheimer and You« . Aber das, sagt die Ministerin, sei den anwesenden Pressevertretern ja bekannt, und dass sich der Heimleiter nun bereit erklärt hat, als zentraler Kooperationspartner beim aktuellen Leuchtturmprojekt mitzuwirken.
    So viel zum Heimleiter.
    Knipsknips.
    Der Heimleiter lächelt in die Kameras.
    Die blaugraue Frau links von der Ministerin heißt Frau Doktor Bestler-Böttcher oder Frau Doktor Nestler-Nüttcher, keine Ahnung, ich habe den Namen nicht so genau verstanden, also lassen wir das mit dem Namen, auf jeden Fall ist sie den anwesenden Pressevertretern bestens bekannt und muss nicht weiter vorgestellt werden.
    So viel dazu.
    Knips.
    Â»Als Vertreterin des Pflegepersonals, das im Zuge des Leuchtturmprojekts wichtige Aufgaben übernehmen wird, darf ich Ihnen nun die leitende Oberschwester der R ESIDENZ vorstellen, Frau …« Knipsknipsknipsknips.
    Kein Wort mehr zu verstehen von dem, was die Ministerin über Schwester Terese sagt, aber ich denke nicht, dass von blutigen Zehennägeln die Rede ist, also Schwamm drüber. Und Schwamm über die nächsten fünf Minuten, in denen die Ministerin das Übliche redet. Das, was sie schon seit Tagen im Fernsehen redet von wegen demographischer Wandel und Herausforderung und so, nur ausführlicher.
    Was?
    Sie wollen es hören?
    Keine Verarsche?
    Na gut, wenn Sie wollen. Aber bitte nicht von Anfang an. Wir schneiden einfach irgendwo rein, wenn Sie einverstanden sind, zum Beispiel hier:
    Â»â€¦ müssen wir uns mit vereinten Kräften von der überkommenen Vorstellung losreißen, dass Altern und Altsein ein Defizit ist. Diese Vorstellung hemmt nicht nur die Entwicklung einer Gesellschaft, die den demographischen Wandel nachhaltig gestalten will, sondern geht auch an den Bedürfnissen der älteren Menschen in unserer Gesellschaft vorbei. Diese Menschen wollen nicht im Abseits des sozialen und wirtschaftlichen Lebens stehen. Sie wollen teilnehmen, sie wollen Verantwortung übernehmen, und wir müssen sie dazu ermuntern, ja: verpflichten.
    Geben wir den älteren Menschen das zurück, was ihnen lange genommen wurde, weil die obsolete Vorstellung vom Alter als Ruhestand und Stillstand vorgeherrscht hat. Geben wir ihnen das, was sie selbst wollen und einfordern: das Recht auf Pflicht.
    Die Abkehr vom Defizitmodell hin zum Aktivitätsmodell hat sich im Bewusstsein vieler älterer Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bereits vollzogen. Diese Menschen stellen sich der Gemeinschaft auch nach dem Erwerbsleben mit Elan und Freude zur Verfügung. Sie investieren ihre kostbaren Erfahrungen, ihr Wissen, ihr gesamtes Potential in den Erhalt und die Optimierung unseres sozialen und wirtschaftlichen Wohlstandes. Sie investieren in die Zukunft! Damit dienen sie nicht nur der Gemeinschaft, sondern auch sich selbst, denn sie werden für ihr freiwilliges Engagement reich belohnt. Mit Wertschätzung, Anerkennung, Lob. Mit dem Gefühl, gebraucht zu sein, nützlich zu sein – ein Gewinn und keine Belastung!
    Viele ältere Menschen empfinden das bereits so und leisten ihren wertvollen Beitrag in vielen Bereichen des täglichen Lebens. Sie arbeiten ehrenamtlich in Stadtbibliotheken und staatlichen Museen, sie leisten organisierte Nachbarschaftshilfe und bieten Oma-und-Opa-Hilfsdienste für alleinerziehende Mütter und Väter an, sie unterstützen Obdachlose, Suchtkranke, Asylbewerber, Migranten, Straffällige, Homosexuelle. Sie helfen jungen Menschen dabei, ihre Hausaufgaben zu machen, und geistig Behinderten dabei, ihren Alltag zu bewältigen. Ohne das freiwillige Engagement unserer Seniorinnen und Senioren wäre so manche Lerngruppe, Kochgruppe oder Suchtgruppe nicht zustande gekommen, von den zahlreichen Protestgruppen ganz zu schweigen, in denen sich unsere mutigen Seniorinnen und Senioren für eine lebendige Demokratie einsetzen und selbst vor körperlichem Einsatz, zum Beispiel bei Demonstrationen und Mahnwachen, nicht zurückschrecken.
    Und wir
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