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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel
Autoren: Anita Augustin
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sie «, Suzanna zeigt wieder auf Marlen, dann auf mich, »sondern sie .« Doktor Klupp glotzt mich an. »Und die Wahrheit ist«, Suzanna macht eine Kunstpause, » sie ist schuld.« Suzanna zeigt auf sich selbst, kicher .
    Zwei Minuten später sind wir allein in der Zelle. Doktor Klupp hat sie mit schnellen Schritten verlassen, die Wärterin hat den Schlüssel ins Schloss gesteckt und zweimal umgedreht, davor hat sie uns noch den Vogel gezeigt.
    Â»Krisensitzung!«, kläfft Karlotta. »Marschmarsch, aus den Betten!«
    Widerstand zwecklos, sogar Marlen gehorcht, wir setzen uns an den wackligen Tisch unterm Fenster.
    Â»Situation«, sagt Karlotta. »Wir haben eine Situation. Ziemlich vielversprechend, wenn wir sie meistern. Wenn nicht: Chance verpasst. Letzte Chance, alles klar?«
    Wir nicken.
    Â»Ich fasse zusammen. Erstens: Dem kleinen Gerichtspsycho ist es scheißegal, wer morgen zum Gespräch kommt, aber eine von uns muss kommen, eine von uns muss an die Front, korrekt?«
    Wir nicken. Genau das hat Doktor Klupp gesagt vor seinem Abgang, nur höflicher.
    Â»Und zweitens?«, sage ich.
    Â»Nichts zweitens, Ende der Zusammenfassung. Jetzt zur Sache. Wie wir aus dem Fernsehen wissen, geht das mit der Unzurechnungsfähigkeit so: Jemand tut etwas Verbotenes und kommt dafür ins Gefängnis. Er hat zum Beispiel sein Kind zu Tode geprügelt oder seine Frau geschlachtet, jetzt sitzt er in Untersuchungshaft und wird von einem Gerichtspsycho untersucht. Wenn der Psycho feststellt, dass der Mann ganz normal ist, hat der Mann verloren. Er wird verurteilt, und das war’s dann für die nächsten zehn, zwanzig Jahre.«
    Â»Der arme Mann«, sagt Suzanna ernst und ein bisschen traurig.
    Â»Genau. Armer Mann.« Karlotta nickt.
    Momente des Mitgefühls.
    Â»Aber wenn er Glück hat, der Mann«, sagt Karlotta, »dann stellt der Gerichtspsycho etwas anderes fest, nämlich die sogenannte Unzurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat.«
    Â»Bedeutet?«, sage ich.
    Â»Bedeutet: Der Mann kann für seine Tat nicht bestraft werden, wenn er zum Zeitpunkt der Tat in einem der folgenden Zustände war:
    Seelisch gestört.
    Emotional verwirrt.
    Drogensüchtig.
    Schwachsinnig.
    Minderjährig.«
    Â»Bedeutet?«, sage ich.
    Â»Bedeutet: Wir müssen überlegen, wer von uns am ehesten
    seelisch gestört,
    emotional verwirrt,
    drogensüchtig,
    schwachsinnig
    oder minderjährig ist.«
    Â»Minderjährig!« Suzanna klatscht begeistert in die Hände. »Ich will minderjährig sein!«
    Karlotta verdreht die Augen, ich verdrehe die Augen, Marlen grinst. Dann legt sie sanft eine knochige Hand auf Suzannas Wange und sagt tätschelnd: »Schwachsinnig, Schätzchen. Du fällst eher in die Kategorie schwachsinnig.« Suzanna kichert.
    Â»Konzentration!«, kläfft Karlotta. »Systematisch vorgehen! Ausschlussverfahren! Minderjährig fällt flach, schwachsinnig fällt flach, seelisch gestört auch. Das ist zwar jede von uns, mehr oder weniger, aber wer ist das nicht. Will sagen: Mit einer handfesten Psychose kann keine von uns aufwarten, oder?«
    Karlotta sieht mich an.
    Suzanna sieht mich an.
    Marlen sieht mich an und grinst. »Na ja«, sagt sie und macht tätscheltätschel, diesmal auf meiner Wange, »unsere liebe Almut hat schon das eine oder andere Problem mit dem Zeug, das in ihr so drin ist, nicht wahr, Almut, mein Schatz?«
    Sehr witzig.
    Â»Stimmt«, sagt Karlotta mit einer abfälligen Geste in meine Richtung. »Lieblingsfarbe Schwarz, Schlafgewohnheiten abartig, alles sehr labil, aber eine solide seelische Störung ist das nicht, also Schwamm drüber.«
    Ja. Schwamm drüber.
    Â»Und was jetzt?«, sagt Marlen. »Was machen wir jetzt, mein General?«
    Â»Weiß nicht«, knurrt Karlotta, »muss nachdenken.«
    Sie denkt nach.
    Wir warten.
    Marlen betrachtet ihre Fingernägel, Suzanna starrt ins Leere. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, ich fange stumm zu zählen an, weil mir gerade nichts Besseres einfällt, bei achtundzwanzig hat Karlotta eine Idee.
    Karlotta hat eine Idee, der Herr steh uns bei.
    Â»Biographie«, sagt sie. »Leben. Eine beschissene Kindheit, ein verkacktes Leben. Das klappt immer. Wer von uns hat so ein richtig verkacktes Leben gehabt?«
    Ich habe mich gewehrt, aber nur kurz, da war nichts zu machen.
    Â»Nun gut, was soll’s, gut«,
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