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Der zweite Weltkrieg

Der zweite Weltkrieg

Titel: Der zweite Weltkrieg
Autoren: Gerhard Schreiber
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Zusammenbruch; die Erweiterung des Demokratisierungsprozesses; das Bemühen, in einer offener gewordenen Welt allgemeine Chancengleichheit zu schaffen; der Versuch, die Klassengesellschaft abzubauen; die Emanzipation der Frauen. Ihr millionenfacher Einsatz als Arbeiterinnen in allen Wirtschaftszweigen, als Hilfskräfte im militärischen Bereich, als Flakwaffenhelferinnen, Sanitätspersonal, reguläre Soldatinnen sowie Partisaninnen zeitigte Folgen, die das traditionelle Frauenbild und das bis zum Kriegsbeginn anerzogene weibliche Selbstverständnis radikal in Frage stellten.
    Der „Große Krieg“ veränderte die globale Mächtekonstellation. Politisch als bipolare Ordnung der ideologisch geteilten Welt und militärisch als Gleichgewicht des Schreckens im Kalten Krieg bestand das modifizierte internationale System nahezu 50 Jahre. Europa blieb dabei im Mittelpunkt des Geschehens, doch seine Länder verwandelten sich von Subjekten zu Objekten der Weltpolitik. Ganz unmittelbar zeigte sich das in Bezug auf die besiegte Großmacht Deutschland. Ihre Niederlage fiel so total aus, dass ein Nichtwahrhabenwollen des Geschlagenseins im Stil von 1918 ausschied. Dies erleichterte die Eingliederung in die Gemeinschaft der demokratischen Staaten. Ähnlich verhielt es sich mit Japan, das im Friedensvertrag von San Francisco (8.9.51), den China und die Sowjetunion nicht unterzeichneten, mit dem Kolonialreich seinen Großmachtstatus verlor.
    Bei den Siegern trat der machtpolitische Umbruch erst im Verlauf der Dekolonisation zutage, die, wie die Gründung derVereinten Nationen und die Fortentwicklung des Völkerrechts, zu den universalhistorischen Folgen des Weltkriegs gehört. Die Vereinigten Staaten entließen die Philippinen bereits am 4. Juli 1946 in die Unabhängigkeit. Italien verzichtete am 10. Februar 1947 im Friedensvertrag von Paris, der zudem Finnland, Bulgarien, Rumänien und Ungarn betraf, auf seine Kolonien. Anschließend erfasste die Auflösung der Kolonialreiche Belgien, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Portugal und Spanien. Sie verlief als Emanzipationsbewegung unterdrückter Völker in Asien, im Nahen Osten und in Afrika unterschiedlich. Doch die weltgeschichtliche Bedeutung der tief greifenden Veränderung, die zahlreiche souveräne Staaten hervorbrachte, und in deren Verlauf sich das Drama der europäischen Geschichte im Spannungsbogen von Nationalstaat, Diktatur, Demokratisierung und Industrialisierung mit anderen Protagonisten in gewisser Weise wiederholte, steht außer Frage.
    Ebenfalls zum Erbe des Zweiten Weltkriegs gehört der Aufbau von integrativen Gemeinschaftsstrukturen, an den sich europäische Staaten machten. Das zeigt, dass Europa zunehmend als demokratisches, den Frieden stabilisierendes Projekt begriffen wird. Mit jahrzehntelangem Abstand vom Kriegsende schickt es sich als Europäische Union an, eine eigenständige, attraktive weltpolitische Kraft zu werden.
    Die Epoche der Weltkriege scheint in der großen Politik abgeschlossen zu sein, die Teilung der Welt ist seit dem „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ vom 12. September 1990, der unter anderem die Grenzen des vereinten Deutschlands festschrieb, endgültig überwunden, kein „Eiserner Vorhang“ trennt die Völker. Dennoch wirkt der Zweite Weltkrieg in verschiedenen Lebensbereichen weiterhin nach – und daran dürfte sich in absehbarer Zukunft kaum etwas ändern: zu viele ungelöste Probleme, zu tief die Wunden, die der Krieg schlug, zu unbefriedigend (trotz der Kriegsverbrecherprozesse) seine juristische Aufarbeitung.

VIII. Nachwort
    „Dasselbe Elend, das euch jetzt hohläugig durch Ruinen jagt, habt ihr den anderen Völkern Europas kalten Herzens selbst bereitet und habt euch nicht einmal umgesehen nach dem Jammer der euer Werk war.“ Auch deshalb, weil diese im Mai 1945 gemachten Anmerkungen des österreichischen Schriftstellers Franz Werfel zutrafen, sind wir mit dem zweiten „ Großen Krieg“, an dem 58 Staaten teilnahmen, historisch, politisch und psychologisch noch lange nicht fertig. Das festzustellen, hat nichts mit obsessiver nationaler Nabelschau im Hinblick auf die furchtbarste Periode der deutschen Geschichte zu tun, wie dies von Anhängern des so genannten kommunikativen Beschweigens, das heißt Verdrängens unterstellt wird. Bei ihnen geht damit oft das Verlangen einher, jene Vergangenheit durch einen Schlussstrich zu bewältigen beziehungsweise nur eine ausgewählte
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