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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes
Autoren: Paul Harding
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ins Schwarze getroffen hatten: Die Offenbarung, daß
     er einen Verräter gefördert hatte, war sehr schmerzhaft gewesen.
     Gaunt, der kaum seinem eigenen Schatten vertraute, war jetzt noch zurückgezogener
     und mißtrauischer. Er saß auf seinem Stuhl und empfing
     schweigend den Beifall seiner Kaufmannsfürsten. Er schien gar nicht
     zu bemerken, wie Athelstan und Cranston sich verabschiedeten und das
     Rathaus auf leisen Sohlen verließen.
    »Gott sei Dank, das ist
     vorbei!« schnaufte Cranston. »Wir hatten sehr wenig Beweise,
     Bruder.« Er warf einen Seitenblick auf den ernsten Ordensbruder.
     »Du hast ihn sauber in die Falle gehen lassen.«
    »Nein, Sir John, er ist
     sich selbst in die Falle gegangen. Er war der gemeinsame Faktor bei all
     diesen Todesfällen.« Athelstan verzog das Gesicht. »Und
     ihn zu überführen - das war eine bekannte Methode, Mylord
     Coroner, die mein alter Lehrer, Bruder Paul, oft benutzt hat; er
     behauptete, er habe sie von der Inquisition gelernt.« Athelstan
     streckte die Glieder. »Es ist eine Tatsache, Sir John, daß ein
     Mann, der in Wut gerät, weder das Rasen seiner Gedanken noch das
     Plappern seiner Zunge zügeln kann.«
    Sie überquerten die
     geschäftige Cheapside; nach der Spannung im Rathaus allerdings
     erschien ihnen der Marktplatz still und heiter, und Cranston machte sich
     kaum die Mühe, wie üblich mit Falkenaugen nach seinen
     sogenannten »Freunden aus der Unterwelt« Ausschau zu halten.
    »Komm, Athelstan.
     Selbst der Herrgott würde jetzt sagen, daß ich einen Becher
     Roten verdient habe -und mein Schreiber einen Humpen Ale.«
    Sie betraten den von
     gastlicher Fröhlichkeit erfüllten Schankraum des »Heiligen
     Lamm Gottes«, und eine Zeitlang tranken sie nur und sannen über
     das Drama nach, dessen Zeugen sie geworden waren.
    »Woher wissen wir, daß
     er nicht Ira Dei ist?« fragte Cranston schließlich.
    »Oh, ich glaube, da hat
     er die Wahrheit gesagt.« Athelstan schüttelte den Kopf. »Weiß
     Gott, Sir John, er hat recht. Da braut sich ein Unwetter zusammen, und
     wenn es losbricht, wird diese Stadt nie wieder so sein wie früher.«
    *
    Drei Tage später verließ
     Athelstan den Tower, und als er das Gedränge um Billingsgate und die
     Bridge Street sah, beschloß er, mit dem Boot vom Wollkai auf dem Fluß nach Southwark zu
     fahren. Die Sonne ging unter wie eine Feuerkugel und tauchte den Fluß
     in blitzendes Rot, während er sich durch die Gassen seinen Weg
     hinunter zum Kai bahnte. Er war müde und wollte nach Hause zu seiner
     Kirche, aber zugleich war ihm unbehaglich, denn er war sicher, daß
     ihm jemand folgte. Ab und zu spähte er durch eine Gasse, sah den Fluß
     funkeln, hörte von fern die Rufe der Bootsleute und widerstand dem
     Drang zu rennen. Er mußte nur immer weitergehen, und die gewundenen,
     verschlungenen Gassen würden ihn zum Wollkai hinunterbringen. Endlich
     erblickte er die Treppe, an der die Bootsleute auf Kundschaft warteten. Er
     wollte schon schneller gehen, als plötzlich eine dunkle Gestalt aus
     einem Hauseingang trat, verhüllt und maskiert. Athelstan sah einen
     Dolch blinken und blieb stehen.       
    »Was willst du?«
     Er hatte Mühe, mit fester Stimme zu sprechen. »Ich bin ein
     armer Priester, ich habe kein Geld.«
    »Wohl wahr, Bruder
     Athelstan.« Die Antwort kam mit verstellter, gedämpfter Stimme.
     »Arm in vieler Hinsicht, aber in mancher auch reich. Du hast den
     Schuldigen im Rathaus also gefunden? Und morgen stirbt Mylord Clifford auf
     dem Tower Hill.«
    Athelstan stützte sich
     auf den Knüppel, den er bei sich trug. »Und du mußt Ira
     Dei sein.«
    »Oder sein Bote.«
    »Nein.« Athelstan
     schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, du bist selbst gekommen,
     um mit mir zu reden.« Er spähte über die Schulter des
     Mannes zum Wollkai.
    »Nein, tu das nicht«,
     befahl die gedämpfte Stimme leise. »Ruf nicht um Hilfe, Bruder.
     Ich tue dir nichts.«
    »Warum stellst du dann
     nicht deine Frage?« versetzte er.
    »Wie lautet sie denn?«
    »Ob ich weiß, wer
     du bist! Und die Antwort lautet: Nein. Ich will es auch nicht wissen; es kümmert
     mich nicht!«
    Die verhüllte Gestalt
     trat einen Schritt zurück. »Du bist ein guter Pfaffe,
     Athelstan. Du liebst die Armen. Du bist ein Hirte, der an seine Herde
     denkt, und nicht nur an die Felle. Bald wird um uns herum ein Unwetter
     losbrechen, aber solange du dich nicht einmischst, wird dir nichts
     geschehen.«
    »Ich habe
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