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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer
Autoren: Dave Duncan
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hinüber und schlug ihm ins Gesicht. Der Junge brabbelte etwas, und Speichel floß ihm aus dem Mund.
    Dreimal verflucht!
    »Dann muß ich es selbst erzählen, nehme ich an«, sagte Wallie. Er brauchte etwas zu essen, zu trinken und mindestens zwei Nächte Schlaf. »Der Oberste Anführer der Tempelwache, Hardduju der Siebten Stufe, war ein sehr korrupter Mann. Die Priester haben seit langem darum gebetet, daß die Göttin ihnen einen Ersatz schicken möge …«
    Dieser Ersatz war offenkundig Imperkanni, aber das zu erwähnen hätte sich wie Bestechung angehört oder wie der Versuch einer Schmeichelei. Es war eine Ironie des Schicksals, daß der Mann, von dem Wallie gehofft hatte, er möge zu seiner Rettung auftauchen, statt dessen gerade rechtzeitig erschien, um ihm Rache anzudrohen, weil er die Schlacht gewonnen hatte. Die ganze Sache steckte voller Ironie. Er hoffte, daß der kleine Gott seinen Spaß daran haben würde.
    Als er die Geschichte zur Hälfte erzählt hatte, bat er um etwas zu trinken. Imperkanni war nicht bewußt grausam. Jetzt erst bemerkte er Wallies Erschöpfung und befahl, daß Sitzgelegenheiten herbeigebracht werden sollten. Seine Männer durchsuchten eifrig die Räume und kamen schließlich mit Hockern zurück. Das Gericht wurde weiterhin am Ort des Verbrechens abgehalten, ein Kreis von vier Männern inmitten der Spuren eines Gemetzels – Wallie, Nnanji, Imperkanni und Yoningu. Die anderen Schwertkämpfer rückten näher heran und umringten sie, wachsam und leidenschaftslos.
    Schließlich, heiser und so sehr am Ende seiner Kräfte, daß er sich fragte, ob ihm das Ganze überhaupt noch etwas ausmachte, kam Wallie zu seinem Schlußwort. »Es gab etliche Vergehen«, sagte er, »doch sie nahmen ihren Anfang durch Tarru. Nachdem er mich in der Tempelanlage gefangenhielt, galten in dieser Angelegenheit nicht mehr die Regeln der Ehre.«
    Imperkanni wartete eine Weile, um sich zu vergewissern, daß das alles war, dann holte er tief Luft. Er sah Yoningu fragend an, als ob er sagen wollte: »Der Zeuge steht Euch zur Verfügung!«
    »Habt Ihr versucht, die Anlage zu verlassen, mein Lord?«
    Wallie gab zu, daß er das nicht versucht hatte.
    »Ihr sagtet, daß Ihr Gast des Ehrenwerten Tarru gewesen seid. Doch Ihr wart doch wohl kaum noch sein Gast, als Ihr hier angekommen seid, oder?«
    »Nun, wir hatten uns nicht auf Wiedersehen und bis bald gesagt.«
    Yoningu war beharrlich. Es lag nur an seinem verschobenen Mund, daß er so aussah, als hätte er Spaß an der Sache. Es mußte ihm weh tun, einen Mann anzuklagen, der so großes schwertkämpferisches Können an den Tag gelegt hatte, aber es war nun mal illegal gewesen. »Ein Gast, der ohne Abschied abreist, bleibt nicht für alle Zeiten Gast. Er war nicht mehr Euer Gastgeber, also befand er sich im Recht, als er den Adepten Nnanji herausforderte. Ihr habt Euch in eine ehrenhafte kämpferische Auseinandersetzung eingemischt.«
    Das war lächerlich. Wallie war überzeugt davon, daß es irgendwo eine Antwort zu all diesem geben mußte, doch selbst Todesangst reichte offenbar nicht aus, um sein Gehirn wieder in Gang zu setzen.
    »Nnanji«, krächzte er. »Sprich du für eine Weile.«
    Nnanji blickte traurig auf. »Ich gebe der Anklage recht«, sagte er. Dann stützte er sich wieder mit den Ellbogen auf die Knie, verflocht die übergroßen Hände ineinander und starrte erneut Yoningus Stiefel auf der anderen Seite des kleinen Kreises an.
    »Was?«
    Diesmal hob Nnanji nicht einmal den Kopf. »Ich habe mich durch eine persönliche Freundschaft hinreißen lassen, eine Untat zu begehen. Ich bin glücklich, daß ich Euer Leben retten konnte, Lord Shonsu, aber ich habe dabei unrecht getan.«
    »Was, zum Teufel, hätte ich denn tun sollen?« fragte Wallie und sah Yoningu und Imperkanni an. »Wir waren seine Gäste, und er hatte in unseren Räumen eine Falle vorbereitet. Er hat seine Männer mit vorgehaltenem Schwert gezwungen, den Blutschwur zu leisten. Dieser Eid erfordert einen zwingenden Grund, und der einzige Grund war, daß er mein Schwert stehlen wollte, das Schwert der Göttin! Sie sprachen ihn nicht mit ›Gebieter‹ an. Er verheimlichte den Schwur – ein weiteres Vergehen, wie Ihr sehr wohl wißt.«
    »Habt Ihr beobachtet, wie diese Eide geschworen wurden?«
    Wallie seufzte. »Nein. Wie ich Euch sagte, wurde es mir von den Sklaven berichtet.«
    Nnanji blickte auf und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sklaven konnten nicht als Zeugen aussagen.
    Lord Shonsu
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