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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer
Autoren: Dave Duncan
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weitsichtige Bauunternehmer entlang dieser Straße kleine, bescheidene Häuschen gebaut, und diese dienten heute als Unterkünfte für Pilger – nicht für die reichen, aber auch nicht für die allerärmsten, denn die schliefen unter den Bäumen.
    Er war seit vielen Jahren nicht mehr in dieser Gegend gewesen, und mit fast kindlicher Aufregung spähte er durch einen Spalt zwischen den Vorhängen und betrachtete das Durcheinander von Dächern und Baumwipfeln unter ihm. Jenseits der Stadt erhob sich das gewaltige Massiv des Tempels; seine goldenen Spitztürme glitzerten in den warmen Strahlen des Sonnengottes, der sich jetzt dem Horizont näherte und als Säule aus Lichtsprenkeln beinah direkt über dem Göttlichen Gericht stand. Das Schlimmste am Alter, entschied Honakura in diesem Moment, war die Langeweile. Er hatte, seit er sich erinnern konnte, keinen Tag so sehr genossen wie den heutigen.
    Die Sänfte hielt an, und er kletterte so behende, wie er es vermochte, hinaus und schlüpfte dann durch den Perlenvorhang, der vor der Tür der Hütte hing.
    Der Ort war noch beengter und schäbiger, als er es erwartet hatte; er bestand lediglich aus vier Wänden aus schmierigen Steinblöcken und einem niedrigen Strohdach, das nach einem Tag mit tropenheißem Sonnenschein entsetzlich stank. Er bemerkte das einzige Fenster und ein Bett, dessen Kuhlen und Beulen man sogar von der Tür aus erkennen konnte; der Boden war mit unebenen Steinen gepflastert; es gab zwei wackelige Stühle und einen groben Tisch; an der Wand hing ein kleiner Spiegel mit Bronzerahmen. Nach einigen Atemzügen nahm er immer noch den säuerlichen Geruch nach Urin und Körpern neben dem Gestank des Strohs wahr. Man konnte mit Sicherheit davon ausgehen, daß es hier Flöhe und Wanzen gab.
    Die Strahlen der Abendsonne fielen durch das Fenster auf die Wand neben dem Bett, wo der Schwertkämpfer flach auf dem Rücken lag. Er wirkte sogar noch größer, als Honakura ihn in Erinnerung hatte, unbekleidet wie er war, mit Ausnahme eines Tuchs, das seine Lenden bedeckte, und schlafend wie es Babys tun sollten, jedoch selten tun.
    Ein Mädchen saß neben ihm auf einem der Stühle und schwenkte geduldig einen Fliegenwedel. Sie glitt schnell auf die Knie, als sie den Rang des Besuchers erkannte. Honakura bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sich zu erheben, dann wandte er sich um, weil ihm seine Träger mit großem Getue und dem sperrigen Bündel, der Gabe des ruchlosen Hardduju, gefolgt waren. Leise erteilte er ihnen den Befehl, in einer Stunde wiederzukommen.
    Der Schwertkämpfer lebte offensichtlich, war aber nicht bei Bewußtsein und stellte infolgedessen kein unmittelbares Problem dar. Weil er seinen Neffen in dieser Hinsicht gehänselt hatte, nahm sich der alte Mann die Zeit, die Erscheinung des Mädchens genauer einzuschätzen, als er es normalerweise getan hätte. Sie trug natürlich nichts als ein kurzes schwarzes Wickeltuch, und ihr Haar war lieblos kurz abgehackt, doch sie war eindeutig von gesundem bäuerlichen Schlag – groß und kräftig gebaut, mit groben, doch ansprechenden Zügen, verunstaltet durch die schwarze Sklavenlinie, die ihr vom Haaransatz bis zum Mund mitten durchs Gesicht lief. Doch ihre Haut war frei von Pockennarben, ihre Brüste zeichneten sich aufregend prall unter dem Wickeltuch ab, ihre Glieder waren wohlgeformt. Die breiten, vollen Lippen hatten etwas Verlockendes. Honakura war beeindruckt. Auf dem freien Markt wäre sie bestimmt fünf oder sechs Goldmünzen wert gewesen. Er fragte sich, wieviel Kikarani jede Woche wohl an ihr verdiente und wie viele Mädchen dieser Sorte die alte Hexe noch in ihrem Stall haben mochte. Ja, sollte dem Schwertkämpfer der Sinn nach Vergnügung stehen, wäre dies sicher der geeignete Zeitvertreib.
    »Ist er überhaupt schon mal aufgewacht?«
    Sie schüttelte den Kopf, nervös aufgrund seines hohen Rangs. »Nein, mein Lord.« Sie besaß eine angenehm wohlklingende Altstimme. »Ich dachte, er würde aufwachen, mein Lord, denn er stöhnte. Doch dann blieb er wieder ruhig. Er scheint einen ganz normalen Schlaf zu schlafen, mein Lord.«
    Das schien eine vernünftige Annahme zu sein, und es war eine kluge Bemerkung für eine Sklavin.
    Offensichtlich hatte sie Dinarturas Anweisungen befolgt und den Schwertkämpfer gewaschen. Er sah recht annehmbar aus. Sie hatte ihm sogar das lange schwarze Haar gekämmt.
    Honakura zögerte, doch wenn wirklich eine ernsthafte Gefahr bestand, wie er befürchtete, dann würde
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