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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch
Autoren: Kathinka Wantula
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London und Rom und Luxor, in denen auch Obelisken von Thutmosis III. stehen. Oder denk an den Obelisken von Ramses II. auf dem Place de la Concorde in Paris. Ich sehe in ihnen eher Antennen, die die Verbindung zwischen der Antike und der Alten und der Neuen Welt erhalten.«
    »Ich weiß, du siehst das anders, aber wir können es ja sowieso nicht ändern. Die Obelisken zeigen den Weg, doch kaum einer erkennt ihn«, hatte Karen nur leise gesagt und war mit Mansfield weiter zum West Drive gegangen.
    Um ihre Stimmung wieder zu heben, hatte er sie dann in die Pierpont Morgan Library entführt, wo ihr der Atem stockte, als sie die vielen wertvollen Bücher aus dem 15. bis 19. Jahrhundert in drei Etagen aus Edelholzregalen erblickte. All ihre Melancholie fiel sofort von ihr ab, während Mansfield sich königlich darüber amüsierte, wenn Karens Augen in einer alten Bibliothek strahlender leuchteten als vor den Tiffany-, Bergdorf-Goodmann- oder Harry-Winston-Auslagen in der Fifth Avenue.
    Er wusste, wie er sie glücklich machen und sie von ihrem Heimweh ablenken konnte, und freute sich jedes Mal, wenn er wieder ein fröhliches Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert hatte, das aus der Tiefe ihrer Seele zu ihm aufleuchtete und das auch er wie ein Lebenselixier genoss und nach dem er jeden Tag verlangte.
    Doch Karen brauchte noch mehr als ihn und den Anblick alter Bücher, um glücklich zu sein, und dass wusste er.
    Sie hatte im letzten halben Jahr ihre Auftragsarbeit über Prof. Bernhardt beendet und das fertige Manuskript zu Julius nach Hamburg geschickt und ihm gleichzeitig mitgeteilt, dass sie an einem neuen Buch interessiert sei. Das Leben in New York war zwar aufregend und neu für sie, aber sie fühlte sich auch etwas eingeschlossen in dieser großen Stadt. Manchmal vermisste sie ihre kleine Wohnung in Hamburg und überhaupt Norddeutschland, wo der Wind so herrlich frisch wehte.
    In New York war der Winter so eisig gewesen, wie sie es schon lange nicht mehr erlebt hatte. In Hamburg war es jedenfalls nicht so kalt. Sie sehnte sich nach ein bisschen grauem Nebel und nach einer Sonne, die an der Alster langsam durch die Nebelschwaden drang. Gut, in New York gab es diesen Nebel auch, aber es war einfach nicht dasselbe. Diese Stadt war so groß, es erdrückte sie, während Hamburg ihr Raum und Freiheit gab.
    Michael war Karens betrübte Stimmung nicht entgangen, und er wusste auch, woran es lag. Trotzdem war er nicht glücklich, als Julius Karen eines Tages anrief und ihr einen neuen Auftrag in Aussicht stellte. Michael und sie diskutierten lange über das Thema, und auf einmal wurde Karen bewusst, dass es Michael nicht um das Schreiben ging, sondern dass er Angst hatte, sie gehen zu lassen.
    Griechenland. Zwei Wochen. Vierzehn Tage ohne Karen.
    »Ob ich das aushalte?«, hatte er gesagt und dabei ein gespielt herzzerreißendes Gesicht gemacht.
    »Du bist doch schon ein so großer, starker Junge, Darling. Du schaffst das schon«, hatte Karen ihm geantwortet und ihm liebevoll auf die Wange geküsst, weil sie wusste, dass sie wieder mal gewonnen hatte.
    Michael Mansfield hatte zwar ein schlechtes Gefühl dabei, sie gehen zu lassen, aber andererseits war ihm bewusst, dass er sie in New York auch nicht einsperren konnte. Sie hatte sogar den Privatjet seines Vaters abgelehnt, weil sie durch den Linienflug nach Frankfurt mal wieder wissen wollte, wie es ist, ein normaler Mensch zu sein.
    Mansfield hatte bei ihrer Bemerkung nur sarkastisch gelacht, weil sein Leben aus seiner Sicht völlig normal war. Natürlich wusste er, dass es einige anders sahen, aber das war ihm egal. Er hatte mit Thomas Davidson und den anderen Kollegen immer gute Freunde um sich herum, die ihn jeden Tag auf den Boden der Tatsachen zurückholten, falls er mal abhob. Nein, wirklich, er fühlte sich so normal wie jeder andere Mensch und konnte Karens Bedürfnis nach der Economyclass nur teilweise nachvollziehen.
    Auf jeden Fall hatte er Karen schweren Herzens gehen lassen und sie selbst zum Kennedy-Flughafen gebracht. Zum Abschied beugte er sich zuerst zu ihrer goldenen Maat-Kette hinunter und küsste die kleine ägyptische Göttin, ehe er Karen in die Augen sah und seinen Mund fest auf ihre vollen Lippen presste. Er hätte niemals gedacht, dass ihm der Abschied so schwer fallen würde, aber vermutlich ahnte er in seinem Innersten schon etwas von dem, was in nächster Zeit passieren würde, und hatte deswegen ein ungutes Gefühl.
    Auch Karen war aufgefallen, dass
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