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Der Zeitläufer

Der Zeitläufer

Titel: Der Zeitläufer
Autoren: Donald A. Wollheim
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geheim bleiben, aber John erzählte mir im Vertrauen, daß sie eine Antischwerkraftkammer erprobten. Ich weiß nie, ob das Ding je funktionierte. Das war im Jahr vor der Katastrophe.
    Zu Weihnachten kamen sie dann zu uns, und da sagte mir John, sie hätten etwas ganz Neues. Er war sehr aufgeregt. Eine Zeitverschiebung nannte er es. Sein Chef, der dieses Ding konzipiert hatte, war ein richtig verrückter Wissenschaftler. Lauter große Ideen. Wurde irgendein Projekt aufgegeben, dann kaufte er das ganze Material zusammen und fing alles von einer neuen Seite aus noch einmal an. Nein, ich weiß nicht, wer die Trägergesellschaft war, vielleicht eine Gruppe von Versicherungsunternehmen, aber sie hatten jedenfalls Geld. Sehr viel. Ich stelle mir vor, sie wollten unbedingt mal einen Blick in die Zukunft tun und dafür auch bezahlen. Das wäre verständlich. Jedenfalls war John tüchtig aufgezogen und ganz quirlig. Katharine hatte Angst, und das war zu verstehen. Sie sah in ihm einen H. G. Wells, der in irgendeiner künftigen Welt herumspaziert. John erklärte ihr, so sei das absolut nicht, und mehr als ein unbestimmtes Flackern, das eine oder höchstens zwei Sekunden dauerte, würden sie vorerst nicht herausholen.
    Ich erinnere mich, ihn gefragt zu haben, was dann mit der Erdbewegung sei. Ich meine, man könnte doch an einer ganz anderen Stelle wieder zurückkommen. Er sagte, das hätte er sich alles überlegt. Er sprach von einem Raumkurs. Katharine war so sehr besorgt, daß wir dann das Thema fallenließen. John sagte ihr, sie brauche keine Angst zu haben, er würde schon nach Hause kommen.
    Aber das tat er dann nicht. Das spielt natürlich keine große Rolle, weil ja alles ausgelöscht wurde. Auch Salt Lake City. Ich bin nur deshalb hier, weil ich am neunundzwanzigsten April nach Calgary fuhr, um Mutter zu sehen. Und am zweiten Mai ging alles in die Luft. Erst im Juli fand ich euch bei MacKenzie. Ich glaube, ich kann ebensogut bei euch bleiben. Und das wäre alles, was ich über John weiß, außer, daß er ein feiner Bursche war. Wenn der Unfall das ganze Unglück ausgelöst hat, dann war das nicht seine Schuld.‹
    Das zweite Dokument ... Um Himmels willen, kleines Mütterchen, das werd ich doch nicht alles vorlesen müssen! Ah, ja, hier ... Madam, du mußt mir vorher einen Kuß geben. Schau nicht so unbeschreiblich drein, mein Süßerchen! Also nun das zweite Dokument, das aus dem Jahr achtzehn neuer Zeitrechnung stammt und von Carl geschrieben ist. Schau dir die alte Handschrift an, mein Dickerchen. Ah, schön, sehr schön.
    ›Geschrieben im Krater von Bonneville. Ich habe meinen Bruder John Delgano gesehen. Als ich wußte, daß ich die Strahlenkrankheit hatte, kam ich hierher und schaute mich um. Salt Lake ist noch immer heiß. Deshalb zog ich weiter nach Bonneville. Dort, wo die Labors standen, befindet sich jetzt der Krater, mit Gras bewachsen. Er ist jedoch nicht radioaktiv, denn mein Film zeigt nichts an. In der Mitte zeichnet sich ein nackter Fleck ab. Ein paar Indios hier erzählten mir, daß sich jedes Jahr im Frühling ein Monstrum zeige. Kaum war ich ein paar Tage hier, da sah ich es selbst, aber ich war zu weit entfernt und konnte nichts Genaues erkennen. Sicher weiß ich nur, daß es ein Mann war. In einem Vakuumanzug. Alles war in einer Sekunde vorüber. Ich glaube, zeitlich kam es ziemlich nahe an den Tag, nämlich an den zweiten Mai alter Zeitrechnung, heran.
    Ich blieb also ein Jahr lang in der Gegend, und gestern erschien er wieder. Ich war direkt vor ihm, und so konnte ich sein Gesicht durch die Sichtblende sehen. Es ist einwandfrei John. Er ist verletzt, denn ich sah Blut an seinem Mund, und sein Anzug ist an ein paar Stellen ziemlich zerfetzt. John liegt auf dem Boden, und solange ich ihn sehen konnte, rührte er sich nicht. Seine Augen sind offen, als schaue er. Ich verstehe nichts von all dem, aber ich weiß, es ist John und kein Geist. Jedesmal war er in derselben Lage und Stellung, und dann gibt es stets einen sehr lauten Donner. Dazwischen hört man eine Sirene, die sehr schnell jault. Es riecht nach Ozon und Rauch.
    Ich weiß, daß es John ist, daß er lebt. Jetzt muß ich hier weg und den Bericht zurückbringen, solange ich noch laufen kann. Ich meine, jemand sollte herkommen und sich das anschauen. Vielleicht kann man John helfen. Gezeichnet: Carl Delgano.
    Diese Berichte wurden von der Gruppe MacKenzie aufbewahrt‹, und so weiter und so weiter. Erste Fotokopie, Archive, Analysen und so
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