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Der Zeitläufer

Der Zeitläufer

Titel: Der Zeitläufer
Autoren: Donald A. Wollheim
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befanden sich zwei kästchenartige Gegenstände, die sie am Erscheinungsort des Monstrums aufstellten. Sie blieben ein volles Jahr da und beobachteten zwei Erscheinungen des Alten Drachens; sie hatten eine Menge Land-, Städte- und Straßenkarten des kühleren Nordens bei sich und wußten viel über jene Gebiete. Sie bauten eine Windmühle, die von der Gemeinde gern angenommen wurde, und sie erboten sich sogar, eine Lichtmaschine zu bauen, doch die wurde abgelehnt. Dann ritten sie mit ihren Kästchen wieder weiter, nachdem sie vorher versucht hatten, einen einheimischen Jungen dazu zu überreden, die Bedienung eines solchen Kastens zu erlernen.
    Im Lauf der nächsten Dekaden kamen weitere Reisende vorbei, blieben ein wenig und dachten über das Monstrum nach. In den südlichen Hügeln gab es immer wieder Kämpfe, und eine der bewaffneten Banden führte einen Überfall auf die Hirtenhütte im Krater aus, um Vieh zu stehlen. Der Angriff wurde zurückgeschlagen, doch die Räuber hinterließen ein Fleckfieber, das viele tötete. Noch immer war der nackte Fleck im Kratermittelpunkt da, und das Monstrum erschien regelmäßig, ob man es bemerkte oder nicht.
    Die Stadt auf den Hügeln wuchs und veränderte sich, und aus der Hirtenhütte im Krater wurde allmählich ein Städtchen. Neue Straßen wurden gebaut, die sich zu einem Netz verwoben. Auf den Hügeln wuchsen nun graugrüne Koniferen, und sie breiteten sich mit der Zeit bis hinunter in die Ebene aus. In ihrem Gezweig wohnten zirpende Eidechsen.
    Gegen Ende des Jahrhunderts stürmte aus dem Westen eine Horde struppiger Siedler in Lederkleidung mit kümmerlichem Milchvieh heran, die zum Teil getötet, zum Teil vertrieben wurde, aber die heimischen Herden nahmen vorher noch einen gefährlichen Parasiten auf. Man holte Tierärzte aus einer Stadt im Norden, doch auch die konnten wenig dagegen ausrichten. Die Familien in der Nähe des Kraterrands zogen weg, und während einiger Dekaden blieb das Gebiet unbewohnt. Schließlich kam wieder Vieh aus anderen Zuchten in den Krater, und die Hirtenhütten wurden wieder bewohnt. Der nackte Fleck in der Kratermitte war noch immer da, und das Monstrum wurde zum akzeptierten Phänomen der Gegend. Ab und zu erschienen von den Behörden im Nordwesten Leute, die ihre Beobachtungen anstellten.
    Die Hirtenhütten im Krater wurden vergrößert, die Blockhäuser wuchsen in die Felder hinein, wo das Vieh gegrast hatte, und ein Teil des alten Kraters wurde zum Stadtpark. Mit den Jahren entwickelte sich eine kleine Touristenindustrie, und die Attraktion stellte das Monstrum dar. Die Stadtbewohner vermieteten Zimmer an die Fremden, die zu den Erscheinungen kamen, und in den Kneipen blühte die Andenkenindustrie mit Nachbildungen des Monstrums.
    Es konnte nicht ausbleiben, daß sich auch verschiedene Kulte um das Monstrum entwickelten. Einige davon meinten, es sei ein Teufel oder eine verdammte Seele, die zur Strafe auf der Erde erscheinen müsse, weil es die riesige Katastrophe ausgelöst habe, die nun schon ein paar Jahrhunderte zurücklag. Andere glaubten, daß es – sie oder er – so etwas wie ein Bote sei, dessen Röhren entweder Unheil oder Hoffnung verkündete. Eine sehr lautstarke Sekte lehrte, die Erscheinung registriere das moralische Verhalten der Stadtbewohner während des vergangenen Jahres; sie durchforschte die jährlichen Erscheinungen nach den winzigsten Veränderungen, die dann gut oder schlecht gedeutet wurden. Man hielt es – je nachdem – für glückbringend oder verderblich, bekam man etwas von dem Staub ab, den das Ungeheuer aufwirbelte.
    Mindestens ein Junge aus jeder Generation versuchte, das Monstrum mit einem Stock zu schlagen und trug in der Regel einen gebrochenen Arm davon. Es wurde zum beliebten Sport, das Ungeheuer mit Steinen oder anderen Gegenständen zu bewerfen, und ein paar Jahre lang bombardierten es die Leute mit Blumen und Gebeten. Einmal sogar versuchte eine Gruppe, es mit einem Netz zu fangen, doch da blieben nur Stricke und Dampf zurück. Das Gebiet selbst hatte man längst schon gegen den Stadtpark hin eingezäunt.
    Das Monstrum überstand alles, erschien weiterhin regelmäßig, rätselhaft und röhrend, und raste, wie anfangs, auf merkwürdige Weise bewegungslos aus dem Boden.
    Allmählich ging auch das vierte Jahrhundert zu Ende, und nun ließen sich auch kleine Veränderungen erkennen. Das Monstrum schoß jetzt nicht mehr auf der Erde dahin, sondern hatte einen Arm und ein Bein stoßend oder winkend
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