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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb
Autoren: Terry Pratchett
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ZU FÜNFT. FÜNF
    REITER. ABER DU WEISST JA, WIE DAS IST. IRGENDWANN
    STREITET MAN SICH. ES KOMMT ZU KREATIVEN
    MEINUNGSVERSCHIEDENHEITEN, ZIMMER
    WERDEN
    VERWÜSTET, SOLCHE SACHEN. Er seufzte. UND MAN SAGT
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    DINGE, DIE BESSER UNAUSGESPROCHEN BLEIBEN.
    Er blätterte weiter und seufzte erneut. Wenn man der Tod war und
    einen Verbündeten brauchte – auf wen konnte man sich absolut
    verlassen?
    Sein nachdenklicher Blick fiel auf den Kaffeebecher mit dem
    Teddybär.
    Natürlich war da auch noch die Familie. Ja. Er hatte versprochen, so etwas nicht noch einmal zu tun, aber mit Versprechen kam er ohnehin
    nicht besonders gut zurecht.
    Er erhob sich und ging wieder zum Spiegel. Es stand nur wenig Zeit
    zur Verfügung. Und die Dinge im Spiegel waren näher, als es den
    Anschein hatte.
    Es folgte ein rutschendes Geräusch, ein atemloser Moment der Stille
    und dann ein Klappern wie von umfallenden Kegeln.
    Der Rattentod zuckte zusammen. Der Rabe flog hastig davon.
    BITTE HILF MIR AUF, erklang eine Stimme aus dem Schatten. UND
    WISCH DANN DIE VERDAMMTE BUTTER WEG.

    Tick

    Dieser Schreibtisch sah aus wie das All mit Galaxien.
    Dinge funkelten. Komplexe Scheiben und Spiralen glänzten auf einer
    schwarzen Unterlage…
    Jeremy mochte es, wenn die Einzelteile einer Uhr vor ihm ausgebreitet lagen, wenn alle Zahnräder und Federn auf schwarzem Samt ruhten. Er
    gewann dann den Eindruck, die Zeit selbst zu betrachten, demontiert
    und kontrollierbar, jede Komponente leicht zu verstehen…
    Wenn sein Leben doch nur ähnlich beschaffen wäre. Er stellte sich vor, es in seine Einzelteile zu zerlegen und sie auf dem Tisch auszubreiten, um sie zu reinigen und zu ölen und wieder zusammenzusetzen, auf dass sich alles so bewegte, wie es der Fall sein sollte. Aber manchmal
    erweckte Jeremys Leben den Anschein, von einem nicht sehr geschickten Handwerker montiert worden zu sein, von jemandem, der es einigen
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    kleinen, aber sehr wichtigen Teilen gestattet hatte, mit einem Ping in den Ecken des Zimmers zu verschwinden.
    Er wünschte sich, mehr für andere Leute übrig zu haben, aber er kam
    einfach nicht mit ihnen klar. Er wusste nie, was er sagen sollte. Wenn das Leben eine Party war, so hielt er sich nicht einmal in der Küche auf. Er beneidete Leute, die es so weit wie bis zur Küche geschafft hatten.
    Vermutlich gab es dort die Reste einer Tunksoße und ein oder zwei
    Flaschen billigen Wein, den jemand mitgebracht hatte und der durchaus genießbar war, wenn man die darin schwimmenden Zigarettenstummel
    entfernte. Vielleicht hielt sich sogar ein Mädchen in der Küche auf, obwohl Jeremy die Grenzen seiner Fantasie kannte.
    Aber er bekam nie eine Einladung.
    Uhren hingegen… Uhren waren anders. Er wusste, was Uhren ticken
    ließ.
    Sein voller Name lautete Jeremy Uhrsohn, und das war kein Zufall. Er gehörte zur Uhrmachergilde, seit er ein paar Tage alt war, und jeder wusste, was das bedeutete. Es bedeutete, dass sein Leben in einem Korb vor einer Tür begonnen hatte. Alle wussten, wie so etwas vor sich ging.
    Alle Gilden nahmen die Findelkinder auf, die mit der Morgenmilch
    kamen. Es war eine alte Form der Wohlfahrt, und es gab weitaus
    schlimmere Schicksale. Die Waisen blieben am Leben, bekamen eine
    Ausbildung, einen Beruf, eine Zukunft und einen Namen. Viele feine
    Damen, Künstler und Würdenträger der Stadt hatten einen vielsagenden Nachnamen wie Ludd, Teigig, Punkel oder Uhrsohn. Sie waren nach
    Gewerbegrößen oder Schutzgöttern benannt worden, und in gewisser
    Weise wurden sie dadurch zu Mitgliedern einer großen Familie. Die
    Älteren wussten, woher sie kamen, und sie nahmen das Silvesterfest zum Anlass, den jüngeren Brüdern und Schwestern des Korbs Leckereien und Kleidung zu schenken. Es war nicht perfekt, aber wo gab es schon
    Perfektion?
    Jeremy wuchs gesund auf und wurde zu einem recht seltsamen jungen
    Mann, ausgestattet mit einem Talent für sein Adoptivhandwerk, das fast einen Ausgleich schuf für all die anderen Begabungen, die er nicht besaß.
    Die Ladenglocke läutete. Jeremy seufzte und ließ das Augenglas sinken.
    Er beeilte sich nicht. Im Geschäft gab es viel zu sehen. Manchmal
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    musste er sogar hüsteln, um die Aufmerksamkeit eines Kunden zu
    wecken. Nun, manchmal musste er hüsteln, um beim Rasieren die
    Aufmerksamkeit seines Spiegelbilds zu wecken.
    Jeremy versuchte, eine interessante Person zu sein. Allerdings gehörte er zu den Leuten, die, wenn sie eine interessante Person werden wollten,
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