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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb
Autoren: Terry Pratchett
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Schüler den Lehrer besiegt, so gibt es nichts, was der
    Lehrer ihm nicht sagen darf«, sagte er. »Erinnerst du dich?«
    »Ja.«
    »Na schön. Das Eiserne Dojo sollte frei sein.«
    Lobsang wirkte überrascht. »Äh, das Eiserne Dojo… Meinst du das
    mit den metallenen Spitzen in den Wänden?«
    »Und in der Decke, ja. Man könnte es damit vergleichen, sich im
    Innern eines riesigen umgestülpten Stachelschweins aufzuhalten.«
    Lobsang riss entsetzt die Augen auf. »Aber es ist nicht für Übungen
    bestimmt! Die Regeln sagen…«
    »Ja, genau«, bestätigte Lu-Tze. »Und ich sage, dass wir es benutzen.«
    »Oh.«
    »Gut. Keine Widerrede. Hier entlang, Junge.«
    Blüten fielen von den Bäumen, als sie an ihnen vorbeigingen. Sie
    betraten das Kloster und nahmen den gleichen Weg, den sie schon
    einmal genommen hatten.
    Dadurch gelangten sie auch in den Mandalasaal. Der Sand stieg auf wie ein Hund, der sein Herrchen begrüßte, drehte sich tief unter Lobsangs Sandalen spiralförmig in der Luft. Lu-Tze hörte die Rufe der Mönche.
    Solche Neuigkeiten breiteten sich im Tal aus wie Tinte im Wasser.
    Hunderte von Mönchen, Novizen und Kehrern folgten Lu-Tze und
    Lobsang wie der Schweif einem Kometen, als sie über die Innenhöfe
    schritten. Über ihnen fielen Kirschblüten wie Schnee.
    Schließlich erreichte Lu-Tze die hohe, runde Metalltür des Eisernen
    Dojos. Ihr Schnappverschluss war in einer Höhe von fast fünf Metern
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    angebracht. Niemand sollte die Tür des Eisernen Dojos öffnen, der nicht wirklich hierher gehörte.
    Der Kehrer nickte seinem früheren Schüler zu.
    »Öffne du die Tür«, sagte er. »Ich kann es nicht.«
    Lobsang sah ihn an und blickte dann zu dem hohen Verschluss empor.
    Er presste eine Hand gegen das Eisen.
    Rost breitete sich unter seinen Fingern aus. Rote Flecken wuchsen
    über das uralte Metall. Die Tür knackte und knarrte und zerbröckelte dann. Versuchweise stieß Lu-Tze mit dem Zeigefinger dagegen, und
    sofort löste sich ein großes Stück, zerkrümelte einfach.
    »Sehr eindrucks…«, begann er und unterbrach sich, als ein Elefant aus Gummi von seinem Kopf abprallte.
    »Keks!«
    Die Menge teilte sich. Der Chefakolyth eilte nach vorn und trug den
    Abt.
    »Was hat dies möchte Keks KEKS zu bedeuten? Wer ist was für ein komischer Mann diese Person, Kehrer? Die Zauderer tanzen in der Höhle!«
    Lu-Tze verbeugte sich.
    »Er ist die Zeit, Hochwürden, wie du bereits vermutet hast«, sagte er.
    Er blieb in der Verbeugung, als er den Kopf drehte und zu Lobsang sah.
    »Verneige dich!«, zischte er.
    Lobsang blinzelte verwirrt. »Ich soll mich verneigen?«, erwiderte er leise. »Selbst jetzt noch?«
    »Verneige dich, du kleiner Stonga, oder ich bringe dir Disziplin bei! Zeig gebührenden Respekt! Du bist noch immer mein Schüler, bis ich dich
    freigebe!«
    Lobsang verneigte sich verblüfft.
    »Und warum besuchst du uns in unserem zeitlosen Tal?«, fragte der
    Abt.
    »Antworte dem Abt!«, sagte Lu-Tze scharf.
    »Ich… ich möchte die fünfte Überraschung kennen lernen«, sagte
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    Lobsang.
    »… Hochwürden…«, drängte Lu-Tze.
    »… Hochwürden…«, fügte Lobsang hinzu.
    »Du besuchst uns nur deshalb, um mehr über die Launen eines
    schlauen Kehrers zu erfahren?«
    »Ja, äh, Hochwürden.«
    »Trotz der vielen Dinge, mit denen sich die Zeit beschäftigen könnte…
    Du möchtest den Trick eines alten Mannes sehen? Keks !«
    »Ja, Hochwürden.«
    Die Mönche starrten Lobsang an. Sein Umhang flatterte noch immer
    in einem Sturm, der nur für ihn existierte. Die Sterne darauf glitzerten, wenn sie das Licht einfingen.
    Der Abt lächelte engelsgleich. »Das möchten wir alle«, sagte er. »Ich glaube, niemand von uns hatte bisher Gelegenheit, die fünfte
    Überraschung zu sehen. Er hat sein Geheimnis immer für sich behalten.
    Aber… dies ist das Eiserne Dojo. Hier gelten Regeln! Zwei dürfen es
    betreten, aber nur einer kann es wieder verlassen! Es ist kein
    Übungsdojo! Will Elefant ! Verstehst du?«
    »Was? Ich wusste nicht…«, begann Lobsang, aber der Kehrer stieß ihm
    den Ellenbogen in die Rippen.
    »Es heißt ›Ja, Hochwürden‹«, knurrte er.
    »Aber es war nicht meine Absicht…«
    Diesmal bekam er einen Schlag an den Hinterkopf.
    »Jetzt gibt es kein Zurück mehr!«, sagte Lu-Tze. »Dafür ist es zu spät, Wunderknabe!« Er nickte dem Abt zu. »Mein Schüler versteht,
    Hochwürden.«
    »Dein Schüler, Kehrer?«
    »O ja, Hochwürden«, bestätigte Lu-Tze. »Mein Schüler.
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