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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb
Autoren: Terry Pratchett
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»Von wem
    stammen die Worte?«
    »Von einem Vollidioten«, antwortete Susanne. Sie versuchte, an andere Dinge zu denken. »Wir haben sie nicht alle erwischt. Dort unten treiben sich noch immer irgendwo Revisoren herum.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Unity. »Siehst du die Sonne?«
    »Ja.«
    »Sie geht unter .«
    »Und…?«
    »Es bedeutet, dass die Zeit in die Welt zurückfließt. Der Körper
    verlangt seinen Tribut, Susanne. Bestimmt dauert es nicht mehr lange, bis meine verwirrten, fliehenden… früheren Kollegen müde werden.
    Und dann müssen sie schlafen.«
    »Ich verstehe, aber…«
    »Ich bin verrückt. Das weiß ich. Aber als es das erste Mal geschah, war es so entsetzlich, dass ich es nicht beschreiben kann. Versuch es dir vorzustellen… Ein Milliarden von Jahren alter Intellekt, in einem
    Körper, der ein Affe auf dem Rücken einer Ratte ist, die aus einer
    Eidechse wuchs… Versuch dir vorzustellen, was unkontrolliert von
    dunklen Orten kommt…«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Die Revisoren werden in ihren Träumen sterben.«
    348

    Susanne dachte darüber nach. Zahllose Millionen Jahre des präzisen,
    logischen Denkens – und dann lädt die Menschheit alle Schrecken ihrer finsteren Vergangenheit auf einmal ab. Sie empfand fast so etwas wie Mitleid mit den Revisoren. Fast.
    »Du bist nicht gestorben«, sagte sie.
    »Nein. Vielleicht bin ich… anders. Es ist schrecklich, anders zu sein, Susanne. Hattest du Hoffnungen auf den Jungen?«
    Die Frage kam aus dem Nichts, und es gab keine Abwehr. Unitys
    Gesicht zeigte nur so etwas wie nervöse Besorgnis.
    »Nein«, sagte Susanne. Leider kannte sich Unity noch nicht mit den
    Feinheiten der menschlichen Konversation aus. Dazu gehörte zum
    Beispiel ein Tonfall mit der Bedeutung: ›Wenn du dieses Thema nicht
    sofort fallen lässt, werden riesige Ratten Tag und Nacht an dir knabbern.‹
    »Ich muss zugeben, dass ich dem… Selbst des Uhrmachers sonderbare
    Gefühle entgegengebracht habe. Manchmal, wenn er lächelte, war er
    normal. Ich wollte ihm helfen, denn er erschien mir so verschlossen und traurig.«
    »Du brauchst mir diese Dinge nicht zu gestehen «, sagte Susanne scharf.
    »Woher kennst du überhaupt das Wort romantisch ?«, fügte sie hinzu.
    »Ich habe einige Bücher mit Gedichten entdeckt.« Unity wirkte
    verlegen.
    »Tatsächlich? Ich habe Gedichten nie getraut.« Riesige, hungrige Ratten.
    »Ich fand sie sehr eigenartig. Wie können Wörter auf Papier eine
    solche Wirkung entfalten? Zweifellos ist es sehr schwer, ein Mensch zu sein, und ein Leben genügt vermutlich nicht, um diese Kunst zu
    meistern.«
    Susanne fühlte einen Hauch von Schuld. Unity konnte schließlich
    nichts dafür. Menschen lernen Dinge, während sie aufwachsen, Dinge,
    die nirgends niedergeschrieben sind. Und Unity war nicht aufgewachsen.
    »Was hast du jetzt vor?«, fragte Susanne.
    »Ich weiß nicht. Nach menschlichen Maßstäben verfüge ich über
    gewisse Fähigkeiten.«
    »Wenn ich dir irgendwie helfen kann…«
    349

    Später begriff sie, dass es ein Satz war in der Art von »Wie geht’s?«
    Man rechnet damit, dass die Leute so etwas nicht für eine richtige Frage halten. Aber auch das hatte Unity noch nicht gelernt.
    »Danke. Du kannst mir tatsächlich helfen.«
    »Oh, gut, wenn…«
    »Ich möchte sterben.«
    Reiter näherten sich aus der untergehenden Sonne.

    Tick.

    Kleine Feuer brannten im Schutt und brachten ein wenig Licht in die
    Nacht. Die meisten Häuser waren vollkommen zerstört worden, obwohl
    Soto den Ausdruck »in kleine Stücke gerissen« für genauer hielt.
    Er saß am Straßenrand, den Bettelnapf vor sich, und beobachtete die
    Ereignisse aufmerksam. Für einen Geschichtsmönch gab es natürlich
    bessere und interessantere Methoden, unbeachtet zu bleiben, aber er
    benutzte den Bettelnapf, seit Lu-Tze ihm gezeigt hatte: Die Leute sahen nie jemanden, der sich Geld von ihnen erhoffte.
    Er hatte gesehen, wie die Retter zwei Personen aus dem Haus trugen.
    Zuerst glaubten sie, einer von ihnen sei durch die Explosion grässlich verstümmelt worden – bis sich der Mann aufsetzte und behauptete, ein Igor zu sein, noch dazu einer in einem sehr guten Zustand. Der zweite Mann erwies sich als Dr. Hopkins von der Uhrmachergilde; wie durch
    ein Wunder war er unverletzt.
    Soto glaubte nicht an Wunder. Darüber hinaus reagierte er mit
    Argwohn auf die Tatsache, dass man im betreffenden Haus viele
    Orangen gefunden hatte und Dr. Hopkins davon faselte,
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