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Der Zauderberg

Der Zauderberg

Titel: Der Zauderberg
Autoren: Dr. Piers Steel
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Vertagern besteht aus 54 Männern und 46 Frauen, was bedeutet, dass acht Männer ohne ihr weibliches Pendant bleiben. Es gibt also reichlich ungebundene Trödler. In der Tat sind Aufschieber eher ledig als verheiratet, aber auch eher getrennt als geschieden, denn sie schieben das Ende genauso auf wie den Anfang. Auch das Alter hat einen Einfluss auf die Aufschieberitis. 7 Je näher wir der ultimativen Deadline unseres Lebens kommen, desto weniger schieben wir auf. Körperlich reifere Menschen sind offenbar auch charakterlich reifer.
    So interessant diese demografischen Betrachtungen sind, auf der Suche nach Aufschiebern sind sie nicht annähernd so hilfreich wie ein psychologisches Profil. Es gibt in der Tat eine wichtige Charaktereigenschaft, die erklärt, warum wir aufschieben. Aber wahrscheinlich ist es nicht die, an die Sie jetzt denken. Man hört immer wieder, dass Aufschieber Perfektionisten seien, die Angst haben, ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. 8 Diese Erklärung klingt auf Anhieb überzeugend und sogar irgendwie tröstlich. Perfektionismus kann einem ja durchaus als eine positive Eigenschaft ausgelegt werden. Das wissen besonders Bewerber, die im Vorstellungsgespräch die Frage »Was ist Ihre größte Schwäche?« beantworten sollen. Doch Perfektionismus ist nicht der Grund für unsere Saumseligkeit. Das haben Untersuchungen an Tausenden Versuchspersonen ergeben. Im Gegenteil, als der Psychologe Robert Slaney seine Perfektionismus-Skala entwickelte, stellte er fest, dass »Perfektionisten mit geringerer Wahrscheinlichkeit aufschieben als Nicht-Perfektionisten – ein Widerspruch zur populären Literatur«. 9 Meine Untersuchungen bestätigen diesen Befund: Organisierte, ordentliche und effiziente Perfektionisten trödeln nicht herum. 10
    Aber warum haben wir dann so lange in der Annahme gelebt, dass Perfektionismus die Ursache der Aufschieberitis ist? Vielleicht weil aufschiebende Perfektionisten eher einen Therapeuten aufsuchen, weshalb sie natürlich in der Forschungsliteratur unverhältnismäßig stark vertreten sind. Nichtperfektionistische Aufschieber (und natürlich auch nichtaufschiebende Perfektionisten) wenden sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit an einen Coach oder Therapeuten. Perfektionisten haben ein größeres Interesse daran, etwas gegen ihre Schwächen zu unternehmen, weil es ihnen vermutlich unangenehmer ist als anderen, wenn sie Dinge vor sich herschieben. Ihr Problem ist also nicht ihr Perfektionismus, sondern die Diskrepanz zwischen ihren Ansprüchen und ihrer Leistung. 11 Wenn Sie ein Perfektionist sind und darunter leiden, dass Sie Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden, dann sollten Sie etwas dagegen unternehmen. Aber dann brauchen Sie ein anderes Buch: Hier geht es ums Aufschieben.
    Was ist also wirklich die Ursache des Aufschiebens? Dreißig Jahre lang haben Forscher in Hunderten von Studien den Zusammenhang zwischen den unterschiedlichsten Charaktereigenschaften und dem Aufschieben untersucht. Dabei haben sie eine Eigenschaft ausfindig gemacht, die wichtiger ist als alle anderen. Die Achillesferse des Aufschiebers ist seine Impulsivität, also das Bedürfnis, alles hier und jetzt haben zu wollen. 12 Impulsive Menschen haben Schwierigkeiten mit der Selbstbeherrschung und verlangen nach sofortiger Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Es fällt ihnen schwer, jetzt etwas zu tun, für das sie erst später belohnt werden. 13 Unsere Impulsivität hat auch einen Einfluss darauf, wie wir mit dem Stress einer anstehenden Aufgabe umgehen. Für weniger impulsive Menschen ist dieser Stress oft ein innerer Anstoß, ein Projekt frühzeitig anzugehen. Anders für impulsive Menschen: Terminstress provoziert postwendend Vermeidungsverhalten. 14 Impulsive Menschen versuchen, die belastende Aufgabe zu umgehen oder sie aus dem Bewusstsein zu verdrängen, was für jemanden, der kurzfristig denkt, eine durchaus vernünftige Strategie ist. Impulsive Aufschieber neigen außerdem dazu, sich schlecht zu organisieren und leicht ablenken zu lassen. Oder um es mit den Worten meines Kollegen Henri Schouwenburg zu sagen, sie leiden unter »schwacher Impulskontrolle, mangelnder Ausdauer, schlechter Arbeitsdisziplin, mangelhaftem Zeitmanagement und einer Unfähigkeit zum methodischen Arbeiten«. 15 Das heißt, impulsive Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Arbeit zu planen, und wenn sie schließlich damit anfangen, lassen sie sich leicht ablenken. Die unvermeidliche Folge: Sie schieben
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