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Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen
Autoren: Alan Garner
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aufblickte und über das Gedränge sah, musste sie ihn bemerken… Schnell schritt er den Hügel hinab und drängte sich durch die Morthsippe. Und indem er dies tat, erhob sich neuerliches Geschrei, denn als die Menge sich umwandte, um zu sehen, wer sich da so ungestüm nach vorn drängte, sah sie etwas hinter seinem Rücken… und geriet in Panik.
    Colin, Susan, Gowther und Fenodyree hatten Durathrors Kampf in qualvoller Hilflosigkeit beobachtet. Wut und Verzweiflung hatten sie zermürbt, ihr Verstand war wie gelähmt vor Entsetzen. Daher wandten sie mit nur geringer Neugier und Bewegung die Köpfe, als das angstvolle Rufen die Morthsippe durchlief. Dann stand Grimnir vor ihnen. Er zögerte, aber nur eine Sekunde lang.
    «Tötet sie», sagte er zu den Wächtern.
    Susan machte den Mund auf, aber kein Laut kam heraus.
    Colin und Fenodyree, der ob seiner Verletzung schon kurz davor war, ohnmächtig zu werden, erbleichten und wankten, als hätte sie der Schlag getroffen. Zum ersten Mal seit undenklichen Zeiten hatte Grimnir gesprochen. Und seine Stimme war die Stimme Cadellins.
    Die Morthsippe rannte in alle Richtungen auseinander. Die Wächter waren mehr darauf aus, ihr eigenes Leben zu retten, als anderen das Leben zu nehmen. Denn sie alle sahen Folgendes: Von Norden her stürmte eine Wolke heran, schwarz und tiefer als alle, die vor der Sonne standen. Sie war riesengroß und hatte die Gestalt eines raubgierigen Wolfs.
    Seine Lenden waren noch hinter dem Horizont, und sein hagerer Körper bäumte sich hoch über den Himmel, mit zum Herabstoßen bereiten Schultern und einem Kopf mit klaffendem Rachen, der sich eben jetzt über dem anderen Ende des Tals befand. Gelb glühten blitzende Augen, und das erste Donnergrollen übertönte das Geschrei der Morthsippe. In allen Köpfen schien nur noch ein Gedanke zu sein: Flucht. Aber wenn Fenrir von Ragnarök im Auftrag seines Meisters handelt, bleiben solche Gedanken nur Wunschträume.
    Die Svarts und Lyblacs stoben auseinander, als Grimnir den Wald betrat. Er lief und drängte sich durch sie hindurch auf die Säule zu. Die Krähe hockte noch da am Boden, den Kopf tief zwischen die Schultern gezogen, und starrte unheilvoll auf die herankommende Wolke. Sie sah Grimnir am Rande der Lichtung, erriet blitzschnell seine Absicht und flog auf. Aber Grimnir war noch schneller. Er sprang, schnappte, seine Finger schlossen sich um die schuppigen Füße des Vogels und rissen ihn aus der Luft. Mit der anderen dürren, behandschuhten Hand zerrte er ihm Feuerfrost aus dem Schnabel. Grimnir schleuderte den wirbelnden Federklumpen wütend gegen die Säule und floh.
    «He, aufgepasst!», sagte Gowther. «Da kommt er wieder!»
    Die Kinder und Fenodyree rätselten noch über die eigentliche Bedeutung dessen, was da eben vorgefallen war, und erst als Gowther schrie: «Und er hat dein Armband!», kamen sie wieder zur Besinnung.
    Sie hätten ebenso gut gar nicht da sein können, so wenig wurden sie von der Morthsippe und all den anderen beachtet.

    Sogar Grimnir übersah sie, als er auf den Weg zueilte. «Ihm nach!», brüllte Fenodyree. «Er darf uns nicht entkommen!»
    Der Berghang war schwarz von einem Wirrwarr hastender Körper, doch war Grimnir nicht so leicht zu übersehen; und sie liefen ihm blindlings nach, ohne darüber nachzudenken, was sie tun sollten, wenn sie ihn erreichten. Grimnir sprang auf den Wall und verharrte dort, als starre er etwas auf der Straße an.
    Dann wandte er sich um und lief schneller als je zuvor den Hügel hinab. Aber Grimnir war kaum von dem Hügel herunter, da stolperte er; ein greller Schrei entrang sich ihm und er stürzte vornüber. Aus seinem Rücken ragte ein zweischneidiges Schwert. Auf der Klinge wanden sich zwei goldene Schlangen, die so sehr glänzten, dass es den Augen wehtat, sie anzusehen.
    Langsam zog Grimnir sich hoch, bis er auf den Füßen stand.
    Das Schwert fiel zu Boden. Er ging drei Schritte, wankte und kippte nach hinten. Die tief gezogene Kapuze glitt von seinem Gesicht, und da erreichte der Wahnsinn seinen Höhepunkt: Es war das Gesicht Cadellins, vor Schmerz verzerrt, aber nichtsdestoweniger Cadellin. Gütig, edel, klug, sein Silberbart steckte in dem ranzig grünen, modrig riechenden Mönchsgewand von Grimnir, dem Kapuzenmann.
    Susan glaubte den Verstand zu verlieren. Colin konnte weder denken noch sprechen. Fenodyree weinte. Dann knirschte Felsen über ihnen und sie blickten auf: Jemand kletterte über den Wall. Es war Cadellin.
    Er kam
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