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Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen
Autoren: Alan Garner
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die unter die Zweige führte, blieben sie stehen und schnupperten. Und dann begannen sie ausgelassen herumzutollen und zu toben: zwei Füchse, die auf einem winterlichen Berghang spielten. Nachdem jegliche Spur menschlicher Füße ausgelöscht war, begaben sie sich auf die Fährte und brachten mit ihrer Rauferei den Schnee ganz durcheinander.
    Ihr Herannahen ließ die Zwerge aufhorchen, und sie erwarteten mit dem Schwert in der Hand, was auch immer sich ihnen da näherte. Dann tauchten die Füchse auf und landeten schneebedeckt Seite an Seite auf ihren Hinterteilen, die roten Zungen hingen ihnen heraus und ihre stechenden Augen wurden schmal, als sie böse fauchten.
    So saßen sie eine Weile da, und Durathror wollte eben etwas sagen, doch da schnellten ihre Schwänze in die Höhe und sie flitzten bergab davon.
    «Danke», sagte Fenodyree leise.
    «Wofür?», fragte Colin. «Was haben sie denn getan?»
    «Unsere Spuren ganz gut verwischt, schätz ich mal», sagte Gowther. «Na, das nenn ich aber schlau.»
    «Und der Geruch eines Fuchses ist viel stärker als der von Menschen oder Zwergen», sagte Durathror lächelnd.
    Er lächelte wieder, als er mit sich und der Nacht allein war und die anderen schliefen; da hörte er nämlich Hundegebell über den Berg schallen und dann in weiter Ferne verschwinden.

Zwanzigstes Kapitel
    Shuttlingslow
    Niemand schlief viel in dieser zweiten und zugleich letzten Nacht im Wald. Es hatte sehr an ihren Nerven gezerrt, einen ganzen Tag lang tatenlos und doch ständig wachsam auf dem Boden liegend zu verbringen. Die bittere Kälte stellte kein Problem mehr dar, und Angharads Speise feite sie für viele Tage gegen Hunger und Durst, und so hatten sie nichts anderes zu tun gehabt als zu warten und nachzudenken. Ihre Rationen aßen sie eigentlich nur, um die Langeweile dieser Tatenlosigkeit zu vertreiben.
    Es kam ihnen vor, als sollte diese Nacht niemals mehr enden: In ihre Mäntel gehüllt, fünf undeutliche Gestalten vor dem helleren Hintergrund des Schnees, fanden sie nur wenig Gesprächsstoff. Wegen des Schnees war es im Wald nie vollständig dunkel, und wenn sich die Sehkraft der Kinder auch nicht mit der der Zwerge messen konnte, so stellten sie doch im Verlauf der Nacht fest, dass sie gut genug sahen, um einzelne Bäume und den Berghang voneinander unterscheiden zu können. Die Spannung stieg mit jeder Stunde.
    Endlich aber sagte Fenodyree: «Die Dämmerung ist nicht mehr fern. Sind wir bereit?»
    Sie kletterten stetig bergan. Die Zwerge konnten die Hufspuren noch erkennen, aber sie waren von vielen Fährten überlagert: von Jagdhunden, Svarts und anderen.
    Nach einer langen schweren Klettertour bergauf kamen sie aus dem Wald heraus und auf eine öde Hochmoorebene, und auf der anderen Seite dieser Hochebene ragten in einem knappen Kilometer Entfernung die letzten sechzig Meter des Gipfels von Shuttlingslow schwarz in den fahler werdenden Nachthimmel. Sie hielten an und starrten, ergriffen vom plötzlichen Auftauchen des so lange erstrebten Ziels. Es war so nah.
    «Da hinten ist es», sagte Durathror, «aber werden wir je dorthin gelangen?»
    Sie blickten sich vorsichtig um. Der Schnee über dem Moor lag einen halben Meter hoch. In der Dämmerung war kein einziger Baum zu sehen, nur, wie die dunkle Linie einer Mauer, der nackte Steinwall der Berge, der die raue Landschaft durchschnitt. Einmal dieser Wüste ausgeliefert, einmal ihr Ziel vor Augen, gab es keine Umkehr mehr. Doch nach all diesen Tagen auf heimlichen Schleichpfaden schien es Wahnsinn, über solch kahles Land zu wandern. Mehr noch, wahre Furcht vor freiem Gelände überfiel sie, sogar die Zwerge; sie fühlten sich benommen und hatten weiche Knie und sehnten sich nach der Geborgenheit eines begrenzten Horizonts.
    Dann raffte Gowther sich auf. «Kommt», sagte er heiser,
    «bringen wir’s hinter uns.» Und er schritt los in Richtung Shuttlingslow.
    Es war ein schwerer Weg und am Ende eine mühselige Kletterei, doch brachten sie beides hinter sich, ohne etwas von der Morthsippe oder ihresgleichen zu Gesicht zu bekommen.
    Auf Händen und Füßen arbeiteten sie sich an dem fast senkrechten Hang nach oben, höher und höher, bis ihnen die Lungen schier zu platzen und die Herzen zu zerbersten schienen. Noch zehn Meter! Sie hatten’s geschafft! Trotz all dem gegen sie aufgebotenen Widerstand hatten sie es geschafft!
    Keuchend lagen sie nun auf dem flachen Gipfel. Um sie her war nichts als Leere. Nachdem ihr Jubel sich gelegt hatte,
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