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Der Zauber des weissen Wolfes

Der Zauber des weissen Wolfes

Titel: Der Zauber des weissen Wolfes
Autoren: Michael Moorcock
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verblaßten Tal und Labyrinth, und er stand in dem gewaltigen Saal einer Burg, bei der es sich nur um Kaneloon handeln konnte.
    Der Saal war prachtvoll eingerichtet, allerdings unbewohnt, und er vermochte nicht zu erkennen, woher das helle, gleichmäßige Licht kam. Er näherte sich einem Tisch, auf dem ein Haufen Schriftrollen lag, und seine Füße erzeugten ein zufriedenstellendes Echo. Mehrere metallbeschlagene Türen führten aus dem Saal, doch zunächst kümmerte er sich nicht darum, wollte er doch die Schriftrollen studieren und sehen, ob hier ein Schlüssel zum Geheimnis Kaneloons lag.
    Er lehnte das Schwert gegen den Tisch und ergriff die erste Rolle. Sie war ein wunderschönes Gebilde aus rotem Pergament, doch die schwarzen Lettern ergaben keinen Sinn, was ihn erstaunte, denn so unterschiedlich die Dialekte auch sein mochten, gab es doch in allen Ländern der Erde nur eine Sprache. Ein zweites Pergament offenbarte wiederum neue Symbole, und als er ein drittes entrollte, erblickte er eine Reihe stilisierter Bilder, die da und dort wiederholt wurden, so daß er dahinter eine Art Alphabet vermutete. Angewidert warf er das Pergament auf den Tisch, nahm sein Schwert, atmete tief ein und rief:
    »Wer wohnt hier? Möge er zur Kenntnis nehmen, daß Aubec, Graf von Malador, Champion von Klant und Eroberer des Südens, diese Burg im Namen der Königin Eloarde, Königin aller Südländer, beansprucht!«
    Es beruhigte ihn etwas, diese vertrauten Worte zu brüllen - doch er bekam keine Antwort. Er hob ein wenig den Helm und kratzte sich am Hals. Dann nahm er das Schwert, balancierte es auf der Schulter und hielt auf die größte Tür zu.
    Ehe er sie erreichen konnte, sprang sie auf, und ein riesiges menschenähnliches Wesen mit Händen wie Ladehaken grinste ihn an.
    Er trat einen Schritt zurück, dann einen zweiten, ehe ihm aufging, daß das Gebilde ihm nicht folgte. Dann blieb er stehen und betrachtete es.
    Es war etwa einen Fuß größer als er und hatte facettenreiche ovale Augen, die seltsam leer wirkten. Das Gesicht war eckig und besaß eine metallisch-graue Oberfläche. Der größte Teil des Körpers bestand aus brüniertem Metall, das nach Art einer Rüstung aneinandergefügt war. Auf dem Kopf saß eine enge Haube, die mit Messingknöpfen besetzt war. Das Wesen verströmte eine Aura gewaltiger, gefühlloser Macht, obgleich es sich nicht bewegte.
    »Ein Golem!« rief Malador, denn es wollte ihm scheinen, als erinnere er sich an solche künstli- chen Geschöpfe aus Legenden. »Welch Zauberwerk hat dich erstehen lassen!«
    Der Golem antwortete nicht, er grinste nur und begann langsam die Hände zu bewegen - die aus jeweils vier Metallspitzen bestanden.
    Malador ahnte, daß dieses Ding nicht dieselben amorphen Eigenschaften besaß wie seine anfänglichen Visionen. Dies war etwas Solides, dies war wirklich vorhanden und kraftvoll, und so sehr Malador seine Menschenkräfte auch einsetzen mochte, eine solche Kreatur vermochte er nicht zu besiegen. Andererseits konnte er sich auch nicht abwenden.
    Mit quietschenden Metallgelenken betrat der Golem den Saal und streckte dem Herzog seine schimmernden Hände entgegen.
    Malador konnte angreifen oder fliehen - doch Flucht wäre sinnlos gewesen. So griff er an.
    Das mächtige Schwert mit beiden Händen

    haltend, schwang er es seitwärts auf den Leib des Golems zu, wo ihm der schwächste Punkt des Gegners zu liegen schien. Der Golem senkte den Arm, und die Klinge prallte laut klirrend gegen Metall, und Malador erbebte von Kopf bis Fuß. Er taumelte rückwärts. Unbarmherzig folgte der Golem.
    Malador blickte um sich und suchte den Saal nach einer Waffe ab, die wirksamer wäre als sein Schwert, doch sein Blick fiel lediglich auf Schmuckschilde an der Wand zu seiner Rechten. Er machte kehrt, lief hinüber, zerrte einen Schild vom Haken und ließ ihn über den Arm gleiten. Es war ein leichtes, ovales Gebilde, das aus mehreren Schichten verleimten Holzes bestand. Ein unzureichender Schutz, doch er fühlte sich ein wenig wohler, als er wieder zu dem Golem herumwirbelte.
    Der Golem rückte weiter vor, und Malador glaubte etwas seltsam Vertrautes an der Gestalt wahrzunehmen, ähnlich wie schon an den Dämo- nen des Labyrinths, doch es blieb ein vager Eindruck. Er kam zu dem Schluß, daß Kaneloons unheimliche Zauberkraft auf ihn einwirken mußte.
    Das Geschöpf hob die Rechte und zielte mit einem schnellen Hieb seiner Metallkrallen auf Maladors Kopf. Dieser wich aus und hob schützend
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