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Der Zauber des weissen Wolfes

Der Zauber des weissen Wolfes

Titel: Der Zauber des weissen Wolfes
Autoren: Michael Moorcock
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verkündet werden konnte, Königin Eloarde gebiete vom Drachenmeer bis zum Rand der Welt.
    Jenseits des Randes der Welt lag nichts -nichts außer der wirbelnden Materie des ungeformten Chaos, das sich von den Klippen Kaneloons aus ins Endlose erstreckte, zuckend, brodelnd, bunt, gefüllt mit vagen, monströsen Formen - denn allein die Erde war Ordnung und bestand aus geordneter Materie und trieb im Ozean des Chaos, wie sie es seit Äonen getan hatte.
    Am Morgen löschte Graf Aubec von Malador die Laterne, die er hatte brennen lassen, zog Beinschienen und Harnisch an, setzte sich den schwarzgefiederten Helm auf den Kopf, hob das Breitschwert über die Schulter und schritt aus dem Steinturm, dem einzigen intakten Teil des alten Gebäudekomplexes.
    Seine lederumhüllten Füße stolperten über Steine, die teilweise aufgelöst zu sein schienen, als wäre in früherer Zeit das Chaos einmal bis hierher vorgestoßen und nicht gegen die hohen Klippen Kaneloons. Natürlich war das unmöglich, da die Grenzen der Erde als konstant galten.
    Am Abend zuvor war ihm die Burg Kaneloon näher vorgekommen, was aber, wie er jetzt erkannte, an der Größe des Bauwerks gelegen hatte. Er folgte dem Flußlauf, und seine Füße versanken in dem lehmigen Boden, die mächtigen Äste der Bäume schützten ihn vor der Sonne, die immer heißer wurde. Kaneloon war nun hoch über ihm nicht mehr zu sehen. Von Zeit zu Zeit gebrauchte er sein Schwert als Axt, um sich einen Weg durch besonders dichtes Laubwerk zu bahnen.
    Mehrmals rastete er. Dabei trank er das kalte Wasser des Flusses und netzte sich Gesicht und Kopf. Er hatte keine Eile, verspürte er doch gar nicht den Wunsch, Kaneloon aufzusuchen; ihn ärgerte die Störung seines Lebens mit Eloarde, das er sich verdient zu haben glaubte. Außerdem empfand er abergläubische Angst vor der rätselhaften Burg, die angeblich nur einen menschlichen Bewohner hatte - die Dunkle Lady, eine gnadenlose Zauberin, die über Legionen von Dä- monen und anderen Chaos-Kreaturen herrschen sollte.
    Zur Mittagsstunde erreichte er die Klippe und betrachtete den nach oben führenden Weg mit einer Mischung aus Sorge und Erleichterung. Er hatte damit gerechnet, die steile Felsmauer erklettern zu müssen. Er war nicht der Typ, der einen schweren Weg einschlug, wenn sich ein leichter darbot, also wand er eine Schnur um sein Schwert und hängte es sich auf den Rücken, da es für seine Hüfte zu lang und hinderlich war. Dann begann er noch immer übelgelaunt den gewundenen Weg zu ersteigen.
    Die flechtenbesetzten Felsen waren offensichtlich sehr alt, ganz im Gegensatz zu den Spekulationen gewisser Philosophen, die sich fragten, warum Kaneloon erst vor wenigen Generationen bekannt geworden war. Malador neigte zu der am weitesten verbreiteten Antwort auf diese Frage -daß sich die Forscher erst kürzlich so weit vorgewagt hatten. Er blickte auf dem Weg zurück und sah die Baumwipfel unter sich, deren Laub sich schwach im Wind bewegte. Der Turm, in dem er die Nacht verbracht hatte, war in der Ferne vage auszumachen, und dahinter, das wußte er, war auf viele Tagesreisen im Norden, Osten oder Westen keine Zivilisation anzutreffen, kein Vorposten der Menschheit - kann das Chaos im Süden liegen? Nie zuvor war er dem Rand der Welt so nahe gewesen, und er fragte sich, wie sich der Anblick von ungeformter Materie auf sein Gehirn auswirken würde.
    Endlich erreichte er den Gipfel der Klippe und blickte mit in die Hüfte gestemmten Händen zur Burg Kaneloon auf, die sich eine Meile entfernt erhob, die höchsten Türme in den Wolken verborgen, die mächtigen Mauern tief im Fels verwurzelt, sich entfernend, auf beiden Seiten nur durch den Steilabfall der Klippen begrenzt. Und auf der anderen Seite der Klippe machte Malador die brodelnde, züngelnde Chaos-Substanz aus - in diesem Augenblick vorwiegend grau, blau, braun und gelb, Farben, die sich jedoch ständig veränderten und wenige Fuß von der Burg entfernt wie Meeresgischt aufsprühten.
    Ihn erfüllte ein Gefühl von einer dermaßen unbeschreiblichen Tiefe, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als lange Zeit an der Stelle zu verharren, überwältigt von der Erkenntnis seiner eigenen Bedeutungslosigkeit. Schließlich flackerte in ihm der Gedanke auf, daß der mutmaßliche Bewohner der Burg Kaneloon, wenn es ihn überhaupt gab, robusten Geistes oder gar wahnsinnig sein mußte. Dann seufzte er und näherte sich weiter seinem Ziel, wobei ihm auffiel, daß der Boden vollkommen eben
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