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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord
Autoren: Arto Paasilinna
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großen Massenselbst­ mord, den es vor etwa zehn Jahren in Lateinamerika gegeben hatte. Auch Rellonen kannte den Fall, er hatte in der ganzen Welt Mitleid und Abscheu erregt. Irgend­ ein amerikanischer Guru hatte Hunderte überspannter Gläubiger um sich geschart, die ihm ihren ganzen Besitz vermacht hatten. Mit seinen Anhängern und seinem Geld hatte der Mann eine Art Religionsstaat gegründet. Als die Behörden auf das geisteskranke Treiben auf­ merksam geworden waren, hatte der Sektenführer be­ schlossen, Selbstmord zu begehen, aber nicht allein, sondern er hatte alle seine Anhänger mit in den Tod genommen. Hunderte ekstatischer Gläubiger waren in diesem Massenselbstmord ums Leben gekommen. Der Anblick war ekelerregend gewesen: Die verwesenden Leichen waren von der tropischen Hitze aufgetrieben, Schmeißfliegen summten über dem Wohngebiet der Sekte… widerwärtig.
    Zu einer solchen Massentötung verspürten Onni Rel­ lonen und Oberst Kemppainen keine Neigung. Das Ergebnis war quantitativ beachtlich, die Qualität des Sterbens jedoch schlecht, das Endergebnis geradezu abstoßend gewesen.
    Übereinstimmend beschlossen sie, dass sie nieman­ dem den Tod empfehlen würden, wenn sich die Leute aber dennoch für Selbstmord entschieden, so sollte dieser stilvoll sein.
    In dieser Phase der Unterhaltung rief Onni Rellonen die Telefonseelsorge der Helsinkier Kirche an. Eine Frau mit sanfter Stimme forderte ihn auf, ihr alle seine Sor­ gen vertrauensvoll zu erzählen. Rellonen fragte sie, ob bei ihr die Drähte an diesem Abend heiß gelaufen seien.
    »Ich meine, haben Sie Anrufe von Menschen bekom­ men, die Selbstmord begehen wollen?«
    Die kirchliche Mitarbeiterin sagte, dass sie nicht das Recht habe, Informationen über vertrauliche Gespräche weiterzugeben. Sie fand die Frage taktlos und drohte damit, das Telefonat abzubrechen.
    Oberst Kemppainen ging an den Apparat. Er stellte sich vor und erzählte kurz, wie er und sein Freund sich vor zwei Tagen in einer Scheune in Häme getroffen hatten. Er verschwieg auch nicht ihrer beider Absicht, sich das Leben zu nehmen. Dann schilderte er ihre gemeinsame Idee, eine therapeutische Gruppe zu grün­ den, in die sie Finnen einladen wollten, die sich in der gleichen Lebenssituation befanden. In diesem Zusam­ menhang wollte er gern wissen, wo er die Adressen oder Telefonnummern von Selbstmordkandidaten bekommen könnte.
    Die Mitarbeiterin der Telefonseelsorge blieb ableh­ nend. Sie fand, dass es nicht der geeignete Zeitpunkt sei, über Selbstmord in Gruppen zu reden. Sie habe wahrlich genug mit den individuellen Fällen zu tun. An diesem Abend hatten sich bereits sechs Personen Hilfe suchend an sie gewandt. Wenn die Herren an der Sache interessiert seien, so sollten sie doch irgendeine Nerven­ klinik anrufen, vielleicht würde man ihnen dort weiter­ helfen. »Die Telefonseelsorge gibt keine Namensliste von Leuten mit Selbstmordabsichten heraus, die Gespräche sind absolut vertraulich.«
    »Die Alte war keine große Hilfe«, knurrte der Oberst und rief die Nervenklinik von Nikkilä an. Er trug sein Anliegen vor, aber die Reaktion war ebenfalls kühl. Der Bereitschaftsarzt bestätigte zwar, dass in seiner Einrich­ tung Leute behandelt wurden, die selbstmordgefährdet waren, aber ihre Namen konnte er nicht preisgeben. Außerdem befanden sich diese Patienten bereits in Behandlung, sie bekamen Medikamente und Therapie, so viel sie brauchten, nach Meinung mancher Leute sogar zu viel. Die Klinik von Nikkilä benötigte keine Unterstützung von Laien bei der Behandlung mentaler Probleme. Der Arzt bezweifelte die Fähigkeiten eines im Dienste der Armee stehenden Oberst, Selbstmorde zu verhindern. Das Training in der Armee diente eigentlich ganz anderen Zielen, fand er. Der Oberst ärgerte sich und sagte dem Arzt, dass er genau wie seine Patienten sei, dann knallte er den Hörer auf. »Wir müssen eine Annonce in die Zeitung setzen«, schlug Onni Rellonen Oberst Kemppainen und Direktor Rellonen verfassten eine Annonce für eine überregionale Zeitung. Sie lautete in aller Kürze:
    DENKST DU AN SELBSTMORD?
    Hab keine Angst, du bist nicht allein. Wir sind noch mehr, die wir
    die gleichen Gedanken und sogar
    erste Erfahrungen haben. Schreib einen kurzen Bericht über dich und deine Lebenssituation, vielleicht können wir helfen.
    Nenne deinen Namen und deine Adresse, wir nehmen Kontakt zu dir auf. Das Material wird absolut vertraulich behandelt, es gelangt nicht in fremde
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