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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord
Autoren: Arto Paasilinna
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recht gut ein paar selbstmordgefährdete Leute zusammenrufen, vielleicht sogar eine größere Anzahl. Man könnte gemeinsam nach Lösungen für die Probleme suchen, und wenn man keine fände, würde niemand etwas dabei verlieren. In der Gruppe könnte man auf jeden Fall bessere Selbst­ mordarten entwickeln, am Stil feilen. Es wäre leichter, sich gemeinsam geschicktere Methoden auszudenken – konnte der Tod nicht schmerzlos, stilvoll, menschen­ würdig, vielleicht sogar königlich prächtig sein? War man etwa gezwungen, sich mit den traditionellen Me­ thoden zufrieden zu geben? Letzten Endes war es primi­ tiv, sich an ein Seil zu hängen. Durch den Bruch des Halswirbels wurde die Luftröhre auf einen halben Meter auseinander gedehnt, das Gesicht lief blau an, die Zun­ ge schob sich heraus, eine solche Leiche mochte man nicht einmal den Angehörigen zeigen.
    Der Oberst strich sich über die Kehle. Der Striemen, den das Seil hinterlassen hatte, war in den zwei Tagen auffallend dunkel geworden. Er sah aus wie ein hässli­ ches Gewächs.
    »Du magst Recht haben«, gab er zu und schlug den Kragen seiner Uniformjacke hoch.
    Rellonen schwärmte:
    »Denk nur, Hermanni! In einer größeren Gruppe könnten wir einen gemeinsamen Therapeuten engagie­ ren, wir könnten unsere letzten Tage damit verbringen, das Leben zu genießen. In Gesellschaft macht sich alles besser als allein. Wir könnten die Abschiedsbriefe an die Angehörigen vervielfältigen, die Testamente von einem gemeinsam engagierten Anwalt vollstrecken lassen, das käme billiger… Vielleicht würde man uns auch bei den Todesanzeigen Rabatt geben, wenn wir zahlreich genug sind. Wir hätten die Möglichkeit, verschwenderisch zu leben, denn bestimmt wäre in der Gruppe auch jemand, der Geld hat, die Reichen begehen heutzutage häufiger Selbstmord, als du denkst. Und Frauen könnten wir ganz sicher auch gewinnen, ich weiß, dass es in Finn-land viele Frauen gibt, die Selbstmordgedanken hegen, und sie sehen durchaus nicht immer übel aus, im Ge­ genteil, deprimierte Frauen sind auf ihre eigene, traurige Art anziehend…«
    Oberst Kemppainen erwärmte sich allmählich für den Gedanken. Er erkannte die Rationalisierungsmöglichkei­ ten, die eine größere Gruppe von Selbstmördern bot. Beim eigentlichen Tötungsakt ließe sich Dilettantismus vermeiden. Wenn er die Sache aus dem Blickwinkel des Offiziers betrachtete, sah er vor allem den Vorteil, den eine größere Militäreinheit bot. Selbst ein guter Soldat kann allein keine Schlacht gewinnen, nimmt man aber eine ganze Schar von ihnen und schwört sie auf ein gemeinsames Ziel ein, hat man Erfolg. Die Militärge­ schichte war voll von Beispielen für die Wirksamkeit von Massenaktionen. Rellonen war begeistert.
    »Du als Oberst wärest in der Lage, einen Massen­ selbstmord von Finnen auf professionelle Weise und mit dem bestmöglichen Ergebnis zu organisieren. Du hast ja von Amts wegen Führungsqualitäten. Du nimmst, sagen wir mal, tausend Selbstmordkandidaten unter dein Kommando. Erst versuchen wir, den armen Teufeln gut zuzureden, und wenn das nicht hilft, dann kannst du deine Truppen in den Tod führen.«
    Onni Rellonen malte dem Oberst aus, wie er mit sei­ ner Armee den Weg in den Tod ging. Er nahm das Alte Testament zum Vorbild, verglich Kemppainen mit Mo­ ses, der sein Volk ins Gelobte Land führte. Das wäre eine irre Wanderung! Statt des Gelobten Landes wäre der Tod das Ziel, ein selbst gemachter Massenmord, der traurige Endpunkt für alles, was gewesen war! Rellonen sah förmlich vor sich, wie der Oberst seinen Leuten befahl, das Rote Meer zu überqueren, so wie es Moses einst mit dem Volke Israel getan hatte. Er selbst, Rello­ nen, wollte sich mit der Rolle des Aaron begnügen.
    Auch der Oberst begann zu planen: »Den Massenselbstmord könnte man als große Kata-
    strophe tarnen… ein Zug springt aus den Schienen, hundert Tote!«
    Rellonen fand, dass ein solches Großereignis ein her­ vorragendes Beispiel für Zusammenarbeit wäre, es würde beweisen, dass die Finnen zu mehr imstande sind, als sich kümmerlich allein in einer morschen Scheune aufzuhängen, dass sie nämlich, wenn sie es richtig anpacken, eine Vernichtung großen Ausmaßes zustande bringen, ein erhabenes und trauriges Schau­ spiel. Der Tod war letztlich kein alltägliches Ereignis. Er war der unwiderrufliche Endpunkt des Lebens und durfte auf seine eigene düstere Weise ruhig großartig sein.
    Der Oberst erinnerte an einen
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