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Der Wüstenpalast

Der Wüstenpalast

Titel: Der Wüstenpalast
Autoren: Lynne Graham
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diese wieder verlieren würde, quälte sie unsagbar. Aber sie verbannte dieses Wissen mit all jener Entschlossenheit, die ihren Charakter ausmachte. Immer nur einen Tag auf einmal, ermahnte sie sich streng.
    “Es bedrückt mich, dass du seit unserer Hochzeit keinerlei Kontakt mit deinen Eltern gehabt hast”, bemerkte Razul einige Tage später.
    Bethany, die ausgestreckt auf dem Boden lag, beschlich ein unbehagliches Gefühl. Eine steile Falte zwischen den Brauen, blickte sie von ihrem Unterschlupf oben auf der Klippe hinaus über die Wüste.
    Mit seinen Segeltuchwänden auf drei Seiten war der Ausguck, der sich am Rande der Palastgärten befand, einem traditionellen Beduinenzelt nachempfunden. Herrliche geknüpfte Teppiche, reich bestickte Kissen sowie eine Kaffeekochstelle bildeten die Ausstattung des kühlen Innenraums. In den vergangenen Wochen hatte Bethany erfahren und auch zu schätzen gelernt, wie sehr Razul die Wüste noch immer Heimat war. Hierher kam er, um sich am Ende eines langen Tages zu entspannen und seine Energien wieder neu aufzuladen, die zahlreichen prächtigen Räume im Palast verschmähend.
    Da sie wusste, dass er geduldig auf eine Antwort wartete, meinte Bethany achselzuckend. “Wir stehen uns nicht besonders nahe.”
    “Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts”, stellte Razul fest und reichte ihr eine winzige Kaffeetasse. “Für einen Araber bedeutet die Familie alles. Sie ist die Grundlage unserer Kultur, und solche starken Loyalitätsbande erzwingen häufig schmerzhafte Entscheidungen und Verpflichtungen.”
    Ihre Miene verdüsterte sich. Ist die Unmöglichkeit einer gemeinsamen Zukunft mit mir die schmerzhafteste Pflicht, die er je erfüllen musste, fragte sie sich, oder mache ich mir da etwas vor? Seit jenem Tag, an dem er ihren Ring wieder gefunden hatte, hatte Razul kein einziges Mal mehr von der unvermeidlichen Trennung gesprochen, und die vergangenen drei Wochen waren die glücklichsten in Bethanys Leben gewesen.
    “Bethany?”
    “Oh, meine Familie …” Abwesend legte sie die schlanken Hände um das kleine Tässchen. “Nun, ich habe eine recht lockere Beziehung zu meiner Mutter und eine nonexistente mit meinem Vater, was aber keinen von ihnen sonderlich stört.”
    “Es fällt mir schwer, das zu glauben.”
    Sie lächelte ihm bedauernd zu. “Ja, wahrscheinlich. Ich werde versuchen, es zu erklären. Meine Mutter glaubt, dass ich der Grund dafür bin, dass ihre Ehe fast gescheitert wäre …”
    “Aber wieso das denn?”
    “Die erste Untreue meines Vaters fiel mit meiner Geburt zusammen. Wenn du ihn kennen würdest, wüsstest du weshalb. Er muss immer im Mittelpunkt stehen, und ein Baby wirkt dabei natürlich störend. Wenn man sich jedoch seine Liste an Seitensprüngen im Laufe der Jahre ansieht, ist es eindeutig, dass er ihr sowieso irgendwann untreu geworden wäre.”
    “Er war dauernd untreu?” Razul betrachtete sie stirnrunzelnd.
    “Er hat sie ständig wegen irgendeiner anderen Frau verlassen.” Bethany zuckte erneut mit den Schultern. “Und dann kam er wieder zu Hause angetrollt, und Mum hat ihn mit offenen Armen empfangen. Als ich älter wurde und verstand, was los war, habe ich ihn dafür gehasst, wie er sie behandelt hat. Es dauerte lange, bis ich kapiert habe, dass Mum, indem sie sein Verhalten akzeptiert, ein williges Opfer war und noch immer ist. Er ist ein sehr attraktiver Mann … äußerlich gesehen”, fügte sie grimmig hinzu. “Aber er benutzt sie nur. Sie ist sein Hafen bei jedem Sturm.”
    “Hasst du ihn immer noch?”
    “Wenn ich überhaupt an ihn denke, dann schäme ich mich für ihn”, gestand sie. “Außer seinem oberflächlichen Charme gibt es nichts Anziehendes an ihm.”
    “Ich hatte ja keine Ahnung, dass du eine solche Kindheit durchgemacht hast”, meinte Razul mit einem Seufzer.
    “Ach, so schlimm war es gar nicht. Es ist nur so, dass ich keinem von beiden je besonders wichtig gewesen bin. Mein Vater interessiert sich nicht für Kinder. Falls ich ihn als Tochter so angebetet hätte wie meine Mutter, wäre es vielleicht anders gewesen, aber ich konnte nicht verbergen, was ich von ihm hielt. Ich war nicht imstande, seinem Ego so zu schmeicheln, wie meine Mutter es tat, und ich habe in ihm nur Unbehagen und Abneigung geweckt. Er mag mich nicht. Offen gesagt, als ich von zu Hause wegging, um zu studieren, war das für alle Beteiligten eine Erleichterung.
    “Ich wünschte, ich hätte diese Dinge gewusst. Dann hätte ich deinen
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