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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon
Autoren: Laura Joh Rowland
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wurden schwarz vor erbittertem Hass.
    Der oberste Beamte des Tempelministeriums warf Joju einen Umhang aus grobem Leinen zu und verkündete: »Hiermit seid Ihr aus dem Mönchsorden ausgestoßen. Überdies werdet Ihr aus Edo verbannt.«
    Joju streifte sich das schäbige Gewand über. Den Kopf gesenkt, humpelte er zum Tor hinaus, verfolgt vom Johlen der Menge. Eine Frau näherte sich Sano mit zögernden Schritten. Es war Okitsu, die Bettlerin.
    »Dafür hat es sich gelohnt, so lange zu warten«, sagte sie, ein schelmisches Grinsen auf dem schmutzigen Gesicht.
    »Ohne Euch wäre er ungestraft davongekommen«, erwiderte Sano.
    Okitsu nickte, als hätte sie begriffen, was Sano meinte, und schlurfte davon. Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege, überlegte Sano, als er ihr hinterherblickte. Nun hat Okitsu doch noch ihre Rache bekommen.
    In Sanos Nähe stand eine Gruppe von fünf gemeinen Bürgern herum. Vier von ihnen unterhielten sich über das Schauspiel, das sie gerade beobachtet hatten, während der fünfte Mann sich etwas abseits von der Gruppe hielt. Eine Brise zupfte an den Fransen seines Strohhuts. Als er die Hand hob, um den Hut festzuhalten, sah Sano ein großes, unregelmäßig geformtes Mal auf dem Handgelenk des Mannes.
    Sano trat zu ihm hin. »Wenn das nicht Toda Ikkyu ist«, sagte er.
    Toda zuckte zusammen. »Wie habt Ihr mich erkannt?«
    »Sagen wir, ich habe einiges gelernt von meinem Sohn.« Sano lächelte, als er sah, wie Toda sich den Kopf darüber zerbrach, was Masahiro bemerkt und Sano erzählt haben könnte.
    »Ich wollte mit Euch reden«, sagte Sano, »aber Ihr habt Euch rar gemacht in den letzten Tagen.«
    »Ich hatte viel zu tun«, entgegnete Toda.
    Sano wusste, dass der Spion ihm aus dem Weg gegangen war, und das aus gutem Grund. »Ihr habt gewusst, wer sie waren, nicht wahr?«
    »Wovon redet Ihr?« Toda spielte den Unschuldigen.
    »Von den drei Frauen, die Ihr bei ihrem Treffen mit Yanagisawa beobachtet habt«, erwiderte Sano. »Nobuko, die Gemahlin des Shōgun, seine Tochter Tsuruhime sowie Oden, seine ehemalige Konkubine.«
    Todas ausdruckslose Miene konnte sein Erschrecken nicht verbergen. »Wie habt Ihr das herausgefunden?«
    »Als wir uns das erste Mal darüber unterhalten haben, habt Ihr gesagt, Ihr hättet die Frauen nicht erkannt, aber das war eine Lüge. Ihr kennt jeden, der persönlich mit dem Shōgun zu tun hat. Ihr habt die Frauen auf den ersten Blick erkannt, oder etwa nicht?«
    Plötzliches Begreifen trat in Todas Augen. »Schon wieder Masahiro! Dann wisst Ihr wahrscheinlich auch schon, was aus Yanagisawas Plan geworden ist, Yoritomo mit Tsuruhime zu verheiraten, damit er der nächste Shōgun wird?«
    »Ja.«
    »Masahiro hat das Zeug zum Spitzel«, sagte Toda. »Wenn Ihr mir erlaubt, ihn auszubilden, mache ich ihn zum besten Spion, den es je gegeben hat.«
    »Ich lasse Masahiro nicht von dem Mann ausbilden, der seinen Vater hintergangen hat«, erwiderte Sano.
    Toda lächelte. »Ich hatte Euch gewarnt, dass ich sowohl für Euch als auch für Yanagisawa arbeite. Und ich habe versucht, keinen von euch zu bevorzugen. Ich habe Euch von seinem geheimen Treffen erzählt, ich habe Euch allerdings verschwiegen, wer die drei Frauen waren. Und Yanagisawa habe ich gesagt, dass ich ihn für Euch ausspioniere, ich habe ihm allerdings verschwiegen, das ich seine drei geheimen Treffen beobachtet hatte.«
    Drei Treffen? Sano runzelte die Stirn. Bisher war er von nur zwei Treffen ausgegangen. Weder Toda noch Masahiro hatten eine dritte Zusammenkunft erwähnt. Also hatte Toda schon wieder gelogen, indem er etwas ausgelassen hatte. Und Masahiro ebenfalls.
    »Ich würde sagen, ich bin quitt mit Euch und mit Yanagisawa«, erklärte Toda. »Ihr solltet mir also nichts nachtragen.«
    »Ihr wisst genau, dass ich Euch nicht töten würde, und wenn ich noch so wütend auf Euch wäre«, sagte Sano. »Denn es könnte der Tag kommen, an dem ich Eure Dienste wieder benötige. Aber jetzt weiß ich wenigstens, dass ich Euch nur so weit trauen kann, wie meine Nasenspitze reicht.«
    Toda zuckte die Achseln. »So ist das in der Politik.« Sein altes Selbstvertrauen war zurückgekehrt. Wieder einmal war es ihm gelungen, sich über ein Schlachtfeld zu mogeln, auf dem der Kampf zweier mächtiger Männer getobt hatte.
    Er drehte sich um und ging davon, für alle Welt ein ganz normaler, unscheinbarer Bürger, nur nicht für Sano.
    »Sieh mal einer an«, sagte Marume. »Kaum ist der eine Halunke verschwunden, taucht
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