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Der Wolfstrank

Der Wolfstrank

Titel: Der Wolfstrank
Autoren: Jason Dark
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ihr denn auch mit Gordon sprechen?«
    »Gern«, erwiderte ich. Und mit deiner Großmutter, fügte ich in Gedanken hinzu...
    ***
    Er war ein Riese, ein Mächtiger, ein Geschöpf, das die Hütte nur geduckt betreten konnte und auch später den Kopf einziehen musste, um nicht gegen die primitive Decke zu stoßen.
    Marlene King saß auf dem Boden. Der Keim wütete in ihr. Sie fror und schwitzte zugleich. Sie dachte daran, dass er ihr auch vielleicht deshalb nur so groß vorkam, weil sie selbst saß und sich nicht bewegte.
    Er aber blieb in der Hütte stehen. Langsam nur drehte er sich um, weil er sie anschauen wollte. In der Nacht hatte sie ihn nicht genau gesehen oder nicht so deutlich, aber in der Nähe sah er ganz anders aus.
    Er war kein Wolf mehr.
    Aber auch kein Mensch!
    Das musste sie sich immer bei dieser Gestalt vor Augen halten, die keine Kleidung trug, sondern nackt war und einen menschlichen Körper mit Armen und Beinen besaß. Allerdings sah sie keine Haut, denn auf dem Körper wuchsen die Haare wie ein dichter Pelz. Es gab kein Durchkommen, keine Durchsicht. Kein Flecken Haut war zu sehen, dafür das Gesicht.
    Und das passte zu einem Monster!
    Wäre Marlene noch ein »normaler« Mensch gewesen, so hätte sie sicherlich versucht, schreiend davonzulaufen. Aber sie war kein Mensch, sie stand unter der Droge des Tranks und sah alles aus einem engen Blickwinkel.
    Der Kopf sah schlimm aus.
    Ein Gesicht, das Tierisches und Menschliches vereinte. Kein Mund, sondern ein breites Maul mit drei spitzen Reißzähnen im Oberkiefer. Das Maul nahm so gut wie die Hälfte des Gesichts ein, so dass der andere Teil sehr gedrungen wirkte mit der dicken, klumpigen Nase und den relativ schmalen Augen. Die Haut war nicht mit diesem dunklen Fell bewachsen, sie schimmerte heller, aber sie wies Risse und Furchen auf, als wäre dort mit einem Messer hineingeschnitten worden.
    Gordon bückte sich so weit hinunter, dass er Platz auf einem Baumstumpf fand. Er saß der Frau jetzt direkt gegenüber. Wenn sie ihn nicht anschauen wollte, musste sie die Augen schließen, was sie allerdings nicht tat. Sie starrte in sein Gesicht und spürte dabei auch keine Furcht. Es war alles okay, denn sie merkte, dass es zwischen ihnen eine gewisse Seelenverwandtschaft gab.
    Marlene wusste nicht, ob die Kreatur reden konnte wie ein normaler Mensch, aber sie startete einen Versuch und fragte mit halblauter Stimme: »Wer bist du?«
    »Gordon!«
    Ja, er konnte sprechen. Er hatte ihr sogar eine Antwort gegeben, über die sie zunächst nachdenken musste. Der Name war ihr nicht fremd. Sie hatte ihn schon gehört, doch ihr fiel nicht ein, in welchem Zusammenhang.
    »Gordon«, wiederholte sie. Dabei fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Urplötzlich wusste sie Bescheid. Es war ihr alles klar. Es gab nur einen Gordon, den sie kannte. Und das war der Einsiedler aus dem Wald, von dem auch Lucy berichtet hatte.
    »Du kennst mich?«
    »Inzwischen schon.«
    »Das ist gut. Das ist sogar sehr gut...«
    Marlene verstand jedes Wort, auch wenn sie dabei Mühe hatte, denn Gordon quetschte seine Antworten nur so hervor. Da musste sie sich schon sehr konzentrieren, um nichts Falsches zu verstehen.
    »Ich habe den Weg gefunden. Ich bin die Brücke zwischen Mensch und Wolf. Ich weiß genau, wie man in diesen Zustand hineingeraten kann, ohne die normalen Menschen beißen zu müssen. Denn ich habe den Trank erfunden, ich habe ihn gemixt. Es ist so etwas wie ein Elixier der Wahrheit. Er hat die Brücke zwischen den Menschen und den Wölfen geschlagen, verstehst du?«
    »Nein, nicht wirklich.«
    »Dann will ich es dir sagen!«, erklärte er mit einem leichten Röhren in der Stimme. »Es gibt eine mächtige Person, die auf den Namen Morgana hört. Leider ist sie im Moment nicht so mächtig, weil man sie gefangen hält. Aber sie schafft es hin und wieder, Botschaften aus ihrer Gefangenschaft in die Welt zu schicken. Das verfluchte Vampirreich kann gar nicht dicht genug sein. Und eine Botschaft hat mich erreicht, und ich habe gehandelt. Das Blut der Wölfin, mit dem Segen des Götterwolfs Fenris versehen, geriet in meinen Besitz. Und ich habe es als wichtigste Grundlage für den Trank genommen, den ich braute. Es war alles darin enthalten, was sein musste, um den Keim weiterzugeben. So wird jeder, der ihn zu sich nimmt, allmählich zu einer Kreatur zwischen Mensch und Wolf. Es ist eine sehr langsame Verwandlung, man darf nicht ungeduldig sein. Sie geht in Etappen vor sich, aber bei
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