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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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wirklich Ihre Beine verloren – mehr als einmal. Es wachsen Ihnen neue. Aber wie? Ist Ihnen denn nicht klar, wie wichtig das ist? Wenn es bei Ihnen möglich ist, warum nicht auch bei anderen? Wenn Sie in irgendeiner Weise entar… . das heißt, wenn sich die Struktur Ihres Körpers irgendwie von anderen unterscheidet, wollen Sie uns dann nicht helfen herauszufinden, wie, damit wir daraus lernen können? Es ist doch gar nicht nötig, daß Sie ein Leben führen wie jetzt.«
    Seine eng zusammenstehenden, düsteren Augen blickten mich nun mit leichtem Interesse an. Ich fuhr fort: »Auch wenn Ihnen neue Beine nachwachsen – mögen Sie den Schmerz, wenn sie abgehackt werden? Machen Sie sich keine Gedanken darüber, daß Sie eines Tages die Distanz oder den Zeitpunkt falsch abschätzen könnten und daß der Zug oder der Lastwagen, oder was immer Sie sonst verwenden, Ihre Beine verfehlen und Ihrem Leben ein Ende bereiten könnte? Das ist doch kein Leben für einen Menschen, Mr. Zorchi. Warum nicht offen mit mir reden, mich Ihnen helfen lassen; warum nicht die Gesellschaft ins Vertrauen ziehen, anstatt durch Schwindel und Betrug zu leben und …«
    Ich war zu weit gegangen. »Schwachkopf! Scheißkerl!« fauchte er mich wie rasend an. »Das wird Ihre Gesellschaft teuer zu stehen kommen. Darauf können Sie Gift nehmen. Ist es ein Schwindel, daß ich so leide wie jetzt? Sie fragen, ob ich es mag? Sehen sie her, Schwachkopf!« Er warf die Decken wieder zurück und riß mit beiden Händen an den weißen Bandagen. Blut sprudelte hervor. Dann streckte er mir die rohen, unbedeckten Stümpfe entgegen. Ich glaube, kein Anblick in meinem Leben hat mich mehr erschüttert. Es war schlimmer als die Hanffelder von Caserta, schlimmer als der schreckliche Anblick des Vorbei, als Marianna starb, schlimmer als alles, was ich mir vorstellen konnte. Er raste. »Sehen Sie sich diesen Schwindel an, sehen Sie ihn sich genau an!« schrie er. »Mir wachsen neue Beine, aber ist es deshalb leichter, die alten zu verlieren? Ja, mir wachsen Beine und Arme und Augen; ich werde niemals sterben. Ich werde weiterleben, wie ein Reptil oder ein Fisch.« Seine Augen blickten wild. Er ignorierte das Blut, das aus den Stümpfen floß, ebenso wie meine Versuche, etwas zu sagen, schlug sich auf den Leib und sagte: »Zwölfmal bin ich schon aufgeschnitten worden – sehen Sie irgendeine Narbe? Mein Blinddarm. Er ist nicht in Ordnung. Er fangt Schmutz auf, und der Schmutz macht mich krank. Und ich muß ihn herausschneiden lassen, und er wächst wieder nach, und ich muß ihn wieder herausschneiden lassen, und er wächst wieder. Und die Schmerzen, Wiehls, die Schmerzen hören niemals auf.« Er schlug seinen Morgenmantel auf, klatschte mit der flachen Hand auf seinen schmalen, haarigen Brustkasten. Ich keuchte. Unter dem dürren Haar war ein Gekröse aus Beulen, Blasen und Geschwüren, die aufbrachen und das Haar verschmierten, als er sich in wilder Raserei Schläge versetzte. »Bedauern Sie mich, Wiehls!« schrie er. »Bedauern Sie den Mann, dessen Körper sich selbst vor allem und jedem beschützt! Ich werde ewig leben, das verspreche ich – und ich werde immer Schmerzen haben –, und irgend jemand wird für jeden schrecklichen Augenblick, den ich erlebe, bezahlen. Und jetzt hinaus, hinaus!«
    Ich ging unter den haßerfüllten Augen des spitzgesichtigen Sekretärs, der mich schweigend zur Tür brachte.
     
    Ich hatte Zorchi in Wut gebracht und selbst die vielleicht unangenehmsten Augenblicke meines Lebens durchgemacht, aber erreicht, erreicht hatte ich nichts.
    Ich wußte das selbst sehr gut; aber wenn ich es nicht selbst gewußt hätte, so wäre es mir bald klar geworden. Gogarty wies mich mit aller Deutlichkeit und en detail daraufhin.
    »Sie sind meine größte Enttäuschung seit meiner ersten Frau«, stöhnte er mit saurem Gesicht. »Ach, zur Hölle. Was wollten Sie eigentlich erreichen?«
    »Ich dachte, ich könnte an seine Uneigennützigkeit appellieren«, verteidigte ich mich. »Sie haben mir ja schließlich keine genauen Anweisungen gegeben.«
    »Ich habe Ihnen auch nicht gesagt, daß Sie nicht vergessen sollen, Ihre Nase zu putzen«, erwiderte er bitter. Dann schüttelte er den Kopf, sein Zorn war verraucht. »Na ja, ich glaube, wir sind nicht schlechter dran als vorher. Ich glaube, ich werde mich selbst darum kümmern müssen.« Er mußte einen hoffnungs- und erwartungsvollen Schimmer in meinen Augen entdeckt haben, denn er sagte schnell: »Nicht jetzt
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